Probleme im vereinigten Deutschland

Nachdem die Freude über die Einheit Deutschlands abgeklungen war, trat die Tatsache in den Vordergrund, dass der schwerste Teil zur Einheit noch aussteht. Um eine tatsächliche Einheit zu schaffen, mussten die Differenzen der Lebensbedingungen in Ost- und Westdeutschland verschwinden sowie ein gemeinsames Geschichtsbewusstsein erarbeitet werden. Während die ehemaligen DDR-Bürger 40 Jahre lang unter einem totalitären System leben mussten und sich nun tagtäglich mit neuen Problemen und Zukunftsängsten konfrontiert sahen, hatte sich die Vereinigung im Bewusstsein der alten BRD-Bürger kaum festgesetzt und sie versuchten Änderungen zu ignorieren.

In der politischen Diskussion seit der Wiederherstellung der Einheit drängten sich vor allem folgende Fragen auf:

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Wie soll man von der Planwirtschaft zu einer sozialen Marktwirtschaft gelangen, ohne dabei sozial ungerecht zu sein?

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Ein wirtschaftlich schwaches Europa schien dem Kommunismus und somit der Sowjetunion nicht abgeneigt. Dies hätte allerdings eine Bedrohung der amerikanischen Sicherheit zur Folge.

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Wie will man mit der DDR-Vergangenheit umgehen und die Verstrickung vieler Menschen in das Regime bewältigen, wobei auch den Opfern Gerechtigkeit widerfahren soll?1

Auch wirtschaftlich hatte das vereinte Deutschland erst einmal mit Problemen zu kämpfen. "Drastische Produktionseinbrüche, Absatzprobleme, Liquidierung ganzer Industriesektoren und eine beispiellose Arbeitslosigkeit dämpften schon bald die Begeisterung über die neue Einheit und stürzten die Bundesrepublik in die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg."2 Die Staatsbetriebe der DDR entpuppten sich bald als völlig veraltet. Das Motto lautete deshalb: "Schnell privatisieren, entschlossen sanieren, behutsam stillegen."3 Käufer für Staatsbetriebe waren nur schwer zu finden, weil die Eigentumsfragen nicht geklärt waren. Investoren wurden oft durch unvorhersehbare Kosten abgeschreckt, die für die Beseitigung der Altlasten aufgebracht werden mussten. Das Stillegen von Grossbetrieben, aber auch die Sanierungen hatten den Abbau Tausender von Arbeitsplätzen zur Folge.

Vergeblich hofften viele Menschen auf einen Wirtschaftsaufschwung in der DDR, im Sommer 1990 setzte eine massive wirtschaftliche Rezession ein, die fast alle traf. Hinzu kamen steigende Lebenshaltungskosten und geringe Löhne. Der Staat versuchte die sozialen Härten abzuschwächen, indem er umfangreiche Umschulungsprogramme ins Leben rief. Doch auch staatlichen Unterstützungen und Investitionsprogrammen sind kostenbedingte Grenzen gesetzt.4

Nicht nur Kosten zur Sanierung der Wirtschaft und des Zusammenbruchs der DDR-Wirtschaft fielen für den Staat an, sondern auch Kosten, die die Beseitigung der Altlasten aus dem Raubbau an Natur und Umwelt durch die Verschleissproduktion und die ehrgeizigen Wirtschaftspläne des DDR-Regimes mit sich brachten. Zudem musste zum Ausgleich der Lebensbedingungen die Infrastruktur Ostdeutschlands modernisiert werden. Weitere immense Beträge flossen in den Neuaufbau von Verwaltungen in Städten und Gemeinden. Die "Kosten der Einheit"5 schienen ins unermessliche zu steigen.

Eine weitere Frage, die sich mit der Einheit stellte, war die, wie man mit dem "Erbe der Stasi"6 umgehen sollte. Im Einigungsvertrag war die Errichtung einer Sonderbehörde unter der Leitung von Joachim Gauck beschlossen worden. Die Gauk-Behörde wurde mit der Verwaltung der von der Stasi angelegten Akten über sechs Millionen Menschen beauftragt. Infolge eines vom Bundestag erlassenen Gesetzes können die Bürger seit Anfang 1992 "Einsicht in die über sie unter Verletzung elementarster Persönlichkeitsrechte gesammelten Informationen"7 nehmen.

Die Einheit bedeutete aber auch den plötzlichen Wechsel der DDR-Gesellschaft von einer geschlossenen in eine offene. Das Verhältnis der Ostdeutschen zu den Westdeutschen beschrieb Bundespräsident Weizsäcker: "Es wäre weder aufrichtig noch hilfreich, wollten wir in dieser Stunde verschweigen, wieviel uns noch voneinander trennt... Für die Deutschen in der ehemaligen DDR ist die Vereinigung ein täglicher, sie ganz unmittelbar und persönlich berührender existentieller Prozess der Umstellung... Bei den Menschen im Westen war die Freude über den Fall der Mauer unendlich gross. Dass aber die Vereinigung etwas mit ihrem persönliche Leben zu tun haben soll, ist vielen nicht klar oder sogar höchst unwillkommen... Erst wenn wir wirklich erkennen, dass beide Seiten kostbare Erfahrungen und wichtige Eigenschaften erworben haben, die es wert sind, in der Einheit erhalten zu bleiben, sind wir auf gutem Wege."8

Quellenverzeichnis

1 Schwarzrock, Götz (Redaktion), Geschichtsbuch, Die Menschen und ihre Geschichten in Darstellung und Dokumentation, Ergänzungsheft, Das Ende der Nachkriegsepoche, Cornelsen Verlag, Frankfurt am Main 1992, S. 32-33back #1
2 Boesch, Joseph, Schläpfer, Rudolf, Weltgeschichte 2, Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart, Orell Füssli Verlag, Zürich 1997, S. 377back #2
3 von Detlev Rohwedder, Präsident der Treuhandanstalt. Aus: Schwarzrock, Götz, S. 33back #3
4 Schwarzrock, Götz, S. 33back #4
5 Schwarzrock, Götz, S. 33back #5
6 Stasi: Sicherheitsdienst der DDRback #6
7 Schwarzrock, Götz, S. 34back #7
8 Schwarzrock, Götz, S. 34; Zitat: Schwarzrock, Götz, S. 34back #8
  

Links zum Thema

1.

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2.

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3.

Deutsche Wiedervereinigung
Was hinter den Kulissen geschah. Illusionen von der Gorbimanie 1990.
URL: http://www.konservativ.de/epoche/134/epo_134f.htm

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