Unter Konrad Adenauer verfolgte die Bundesrepublik Deutschland ab 1949 eine auf die Westintegration ausgerichtete Aussenpolitik. Adenauer versuchte dabei, die Umstände des Kalten Krieges mittels "einer entschiedenen Hinwendung zu den Westalliierten"1 auszunützen. So schnell wie möglich sollte die Bundesrepublik aus der Verliererrolle zum gleichberechtigten Bündnispartner aufsteigen. Mit amerikanischer Unterstützung und einer gestärkten Position erhoffte er sich, die Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands erzwingen zu können. Denn die DDR wurde von seiner Bundesregierung bloss als sowjetische Besatzungszone angeschaut. Deutschland wurde ihrer Ansicht nach, alleine von der demokratisch gewählten Regierung vertreten. Infolge seiner Zugeständnisse an den Westen, erhielt Adenauer von der Opposition den Titel "Kanzler des Westens"2, was dem ausgesprochen freundlichen Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und der Regierung Eisenhowers in den fünfziger Jahren jedoch keinen Abbruch tat.
Als sich die Sowjetunion mit der drohenden Wiederbewaffnung der Bundesrepublik konfrontiert sah, unterbreitete Stalin 1952 das Angebot, "die Wiedervereinigung Deutschlands in den damaligen Grenzen und aufgrund von 'freien Wahlen‘ zu akzeptieren, falls die Bundesrepublik auf ein Bündnis mit dem Westen verzichten und sich mit einer rein defensiven Armee begnügen würde."3 Der Westen reagierte auf die sogenannte Stalin-Note zurückhaltend. Da man aber befürchtete, Deutschland würde bei einer Zustimmung langfristig in "östliches Fahrwasser"4 abdriften, wollte man Zeit gewinnen und die Verhandlungen bezüglich der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und des Deutschlandvertrages vorantreiben. Stalins Angebot sollte indessen nicht definitiv abgelehnt werden.5 Aus diesem Grunde stellten die Westmächte in ihrer Antwort Bedingungen, auf die die Sowjetunion vermutlich nicht eingehen würde.6 Bis 1955 machte Moskau Deutschland weitere Angebote in ähnlicher Form, ohne dass es diesbezüglich je zu Verhandlungen kam.7
Mit der Zurückweisung des EVG-Vertrages durch Frankreich erlitt die Idee eines "Vereinten Europas"8 einen herben Rückschlag. In Anbetracht der brisanten Lage musste schnellstmöglich eine andere Bündnislösung gefunden werden, um den deutschen Wehrbeitrag zur Verteidigung Westeuropas zu gewährleisten. Zu diesem Zweck wurde vom 28. September bis zum 3. Oktober 1954 die Neunmächtekonferenz in London einberufen. Nebst den westeuropäischen Staaten waren auch die USA und Kanada vertreten.
In Paris fand daraufhin vom 9. bis 23. Oktober 1954 die Folgekonferenz statt. Auf ihr wurden gemäss den Empfehlungen der Londoner Schlussakte insgesamt elf Abkommen, die Pariser Verträge, unterzeichnet. Damit wurde die internationale Stellung der Bundesrepublik Deutschland neu definiert.
Die Pariser Verträge beinhalteten eine überarbeitete Fassung des Deutschlandvertrages, nachdem dieser im Zusammenhang mit der EVG gescheitert war. Nun aber war die Besatzungszeit zu Ende gegangen und die Bundesrepublik Deutschland erhielt ihre Souveränität zurück. Im Gegenzug musste die Bundesrepublik den Westmächten das Stationierungsrecht von Streitkräften zugestehen. Trotz französischen Vorbehalten konnte in Paris einer Wiederbewaffnung mit der Einbindung in das westliche Verteidigungssystem zugestimmt werden. Der 1948 abgeschlossene Brüsseler Pakt wurde schliesslich durch den Beitritt Italiens und der BRD zur Westeuropäischen Union (WEU) erweitert.9 Die Hauptaufgabe der WEU bestand darin, "die Einheit Europas zu fördern und seine fortschreitende Integration zu unterstützen."10 Für die BRD war der Eintritt in die WEU die Voraussetzung für den Beitritt zur NATO, welcher mit gewissen Rüstungsbeschränkungen verbunden war. Die Bundesrepublik verzichtete auf die Herstellung von atomaren, biologischen und chemischen Waffen.11
Wenige Monate nach der Ratifizierung durch den Bundestag traten die Pariser Verträge am 5. Mai 1955 in Kraft. Rund zehn Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation war die Bundesrepublik ein souveräner Staat geworden. Vier Tage nach dem Inkrafttreten der Pariser Verträge wurde die BRD in die NATO aufgenommen.12
Etwas später, im September 1955, weilte Adenauer in Moskau, um über zwei gleichberechtigte deutsche Staaten zu verhandeln. Chruschtschow wollte seine DDR von der BRD anerkannt wissen. Keines der beiden Länder sollte den alleinigen Vertretungsanspruch als Staat der Deutschen erheben dürfen, was für Adenauer eine unannehmbare Forderung war. Er beharrte auf seinem Anspruch und die Verhandlungen scheiterten. Wenigstens konnte er die Rückkehr der letzten Kriegsgefangenen erwirken.13
Moskaus Reaktion auf die Souveränitätserklärung der Bundesrepublik im Mai 1955 folgte bereits im September desselben Jahres, kurz nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen Chruschtschow und Adenauer in Moskau. Die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der DDR sollten von nun an auf der Basis "völliger Gleichberechtigung, gegenseitiger Achtung der Souveränität und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten"14 geregelt sein. Chruschtschow stellte fest, dass die Deutschen die Frage der Wiedervereinigung nun selbst lösen müssten, die Sowjetunion gehe jedoch von der Existenz zweier deutscher Staaten aus.15
Links zum Thema |
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1. |
Das
geteilte Deutschland Die Geschichte der beiden Staaten von 1949 bis 1989. Enthält viele Links. URL: http://www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/index.html |
2. |
Pariser
Verträge Die Beschlüsse der Pariser Verträge, Konrad Adenauers Rede zum Inkrafttreten der Verträge (RealAudio-Format). URL: http://www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/ ... /pariserVertraege.html |
3. |
Deutschlandvertrag Mit dem Deutschlandvertrag erhält die BRD weitgehend die Rechte eines souveränen Staates. URL: http://www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/ ... /deutschlandvertrag.html |
4. |
Souveränität Die Pariser Verträge als Schlüssel zur Souveränität. URL: http://www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/ ... /souveraenitaet.html |
5. |
Westeuropäische
Union Die Gründung der WEU im Rahmen der Pariser Verträge. URL: http://www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/ ... /westeuropaeischeUnion.html |
6. |
NATO-Beitritt Die BRD tritt der NATO bei. URL: http://www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/ ... /natoBeitritt.html |
7. |
Aufbau
der Bundeswehr Der Aufbau der Bundeswehr im Rahmen des NATO-Beitritts (mit Video). URL: http://www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/ ... /aufbauDerBundeswehr.html |
8. |
Konrad
Adenauer, 1876-1967 Biographie des ersten Bundeskanzlers der BRD. URL: http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/AdenauerKonrad/index.html |
9. |
Konrad
Adenauer Das Leben des deutschen Politikers. URL: http://www.schulnetz.net/beverungen/ghs/kalender99/januar99/adenauer.htm |
10. |
Western
European Union Offizielle Seite der WEU. URL: http://www.weu.int/ |