In Helsinki fand vom 30. Juli bis 1.
August die 3. bzw. Abschlussphase der Konferenz über Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa auf der Ebene der Staats- bzw. Regierungschefs
statt; sie endete mit der Unterzeichnung der Schlussakte (Schlussakte und
Hinweise auf die bisherigen Berichte siehe 19582 C).
Während der Konferenz gaben die
Delegationsleiter aller 35 Teilnehmerstaaten Erklärungen ab, von denen
einige in Auszügen nachstehend wiedergegeben werden; am Rande der
Konferenz kam es zu zahlreichen Gesprächen der Teilnehmer, die immer
wieder als Gespräche und nicht als Verhandlungen bezeichnet wurden. Dazu
gehören auch die Gespräche zwischen Helmut SCHMIDT und Erich HONECKER
(19621 A), die Gespräche zwischen SCHMIDT und GIEREK, die zu einem
Abkommen führten (19623 A), die SAL-Gespräche zwischen Gerald FORD und
Leonid BRESHNEW (19620 B) und die Gespräche zwischen den vier westlichen
Mächten (19608 c).
1. Die Delegationsleiter
Delegationsleiter waren für Belgien
Ministerpräsident Leo TINDEMANS, für Bulgarien der Erste Sekretär des
ZK Staatsratsvorsitzender Todor SHIWKOFF, für Dänemark
Ministerpräsident Anker JÖRGENSEN, für die DDR der Erste Sekretär des
ZK der SED Erich HONECKER, für die BRD Bundeskanzler Helmut SCHMIDT, für
Finnland Urho Kaleva KEKKONEN, für Frankreich Präsident Valery GISCARD
d'ESTAING, für Griechenland Ministerpräsident Konstantin KARAMANLIS,
für Grossbritannien Premierminister Harold WILSON, für den Vatikan der
Sekretär des Rates für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche
Agostino CASAROLI, für Irland Premierminister Liam COSGRAVE, für Island
Ministerpräsident Geir HALLGRIMSSON, für Italien Ministerpräsident Aldo
MORO, für Jugoslawien Präsident Josip Broz-TITO, für Canada
Premierminister Pierre Elliott TRUDEAU, für Liechtenstein Regierungschef
Walter KIEBER, für Luxemburg Ministerpräsident Gaston THORN, für Malta
Ministerpräsident Dominie MINTOFF, für Monaco Staatsminister Andre
SAINTMLEUX, für die Niederlande Ministerpräsident Joop den UYL, für
Norwegen Ministerpräsident Trygve BRATTELI, für Österreich
Bundeskanzler Dr. Bruno KREISKY, für Polen der Erste Sekretär des ZK der
PVAP Edward GIEREK, für Portugal Präsident Francisco da COSTA GOMES,
für Rumänien Präsident Nicolae CEAUSESCU, für San Marino der
Staatssekretär des Auswärtigen Jean-Gian Luigi BERTI, für Schweden
Ministerpräsident Olof PALME, für die Schweiz Bundespräsident Pierre
GRABER, für Spanien Regierungspräsident Carlos ARIAS NAVARRO, für die
CSSR der Generalsekretär des ZK der KPC Gustav HUSAK, für die Türkei
Ministerpräsident Suleyman DEMIREL, für Ungarn der Erste Sekretär des
ZK der USAP Janos KADAR, für die UdSSR der Generalsekretär des ZK der
KPdSU Leonid I. BRESHNEW, für die USA Präsident Gerald FORD und für
Cypern Präsident Erzbischof MAKARIOS. Als Ehrengast der Konferenz war
anwesend UNO-Generalsekretär Kurt WALDHEIM.
Beobachter ohne offiziellen Status entsandten
Ägypten, Argentinien, Brasilien, China, Indien, Israel, Japan, Nordkorea,
Südkorea, Cuba, Mexiko, Peru und Südafrika.
2. Wilson betont u. a. Bedeutung der
Berlinfrage für Entspannung in Europa
Der britische Premierminister Harold WILSON
führte am 30. Juli laut Mitteilung der Bonner britischen Botschaft u. a.
aus: "Am Ende eines Krieges, in den alle Kontinente verwickelt waren,
verpflichteten die Unterzeichner der Charta alle Staaten -- ich zitiere --
:, Duldsamkeit zu üben und als gute Nachbarn friedlich zusammenzuleben,
und die Kräfte zu vereinigen zur Wahrung des Völkerfriedens und der
internationalen Sicherheit'. Die Beschlüsse von vor 30 Jahren werden nun
in einen neuen Rahmen gestellt, in dem wir die Unverletzlichkeit der
Grenzen und das Prinzip bekräftigen, dass Grenzen in Übereinstimmung mit
dem Völkerrecht, mit friedlichen Mitteln und durch Übereinkunft
verändert werden können. Wir sind im Geist der Entspannung
zusammengekommen. Und nur weil dieser Geist die Vorarbeiten beseelt und
inspiriert hat, ist unser Hiersein möglich geworden. Entspannung ist
unteilbar, genauso wie letztlich Freiheit und der Frieden selbst unteilbar
sind. Wir sind hier als Vertreter unterschiedlicher gesellschaftlicher
Systeme, unterschiedlicher politischer Systeme zusammengekommen. Die hier
vertretenen Nationen, eine jede für sich allein und über die machtvollen
und tiefverwurzelten Bündnisse, in die viele von uns eingebunden sind,
sind aufs äusserste entschlossen, nicht nur unsere Grenzen, sondern auch
unser Recht zu verteidigen, unter dem politischen System zu leben, das
eine jede für sich selbst gewählt hat. Die Bewahrung der Integrität
einer jeden von uns ist der Schlüssel zur Zukunft von uns allen.
Entspannung ist nur durch diese beiderseitige Entschlossenheit möglich
geworden. Entspannung wird nur durch ständige Wachsamkeit -- Wachsamkeit
gegründet auf Stärke, Wachsamkeit gegründet auf Solidarität -- gewahrt
werden können. Wir, die wir heute hier zusammengekommen sind, vertreten
in vielen Fällen Nationen, die im verheerendsten Krieg der Geschichte
Feinde waren. Für einige war dieser Krieg selber der Kulminationspunkt
Jahrhundertelanger kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen den
beteiligten Nationen. Selbst nach dem Krieg standen sich einige der
Nationen auf beiden Seiten des, wie Winston CHURCHILL es genannt hat,
Eisernen Vorhangs gegenüber, auf den gegenerischen Seiten des Kalten
Kriegs. Heute treffen wir uns auf der Basis der Koexistenz, einer
Koexistenz, die, wie wir alle anerkennen müssen, auf der Wachsamkeit und
Solidarität beruht, von der ich bereits sprach. Ich habe manchmal
festgestellt, dass europäische Staatsmänner den Begriff friedliche
Koexistenz nur ungern benutzten, da er von verschiedenen Staatsführern zu
verschiedenen Zeiten verschieden definiert wurde. Ich habe keine solchen
Bedenken. Als ich vor einigen Monaten Gast von Leonid BRESHNEW und Alexej
KOSSYGIN im Kreml war (19256 A), zitierte ich die klugen Worte meines
alten Chefs Clem ATTLEE, der gesagt hatte: "Die einzige Alternative
zur Koexistenz ist gemeinsamer Untergang.' BRESHNEW wird, so hoffe ich,
nichts dagegen einzuwenden haben, wenn ich die von ihm in diesem
Zusammenhang gebrauchten Worte zitiere. Er sagte, dass die Führer seines
Landes -- ich zitiere --, voll entschlossen sind, alles in ihrer Macht
Stehende zu tun, um nicht nur der internationalen Entspannung als solcher
einen historisch unwiderruflichen Charakter zu verleihen, sondern auch
einer echten Hinwendung zu einer langfristigen, fruchtbaren und
gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit zwischen Staaten mit
verschiedenen gesellschaftlichen Systemen auf der Basis der vollen
Gleichberechtigung und gegenseitigen Achtung. Das ist es, was wir in der
Sowjetunion unter friedlicher Koexistenz verstehen.' 30 Jahre lang
schienen die Unterschiede, die uns gespalten haben, grösser zu sein als
das uns gemeinsame europäische Erbe. Doch auf diesem Erbe baute diese
KSZE auf. Zwei Jahre haben sich unsere diplomatischen Vertreter in Genf
bemüht, die Mittel in Worte zu fassen, mit denen wir unsere Beziehungen
auf neue und zivilisiertere Art wahrnehmen können, ausgehend von
gegenseitiger Achtung, gegenseitigem Verständnis und gegenseitiger
Toleranz. Ich behaupte nicht, dass schon allein die Dokumente, die wir zu
billigen im Begriff sind, die Spannung und Unsicherheit verringern
können, unter der die Völker ebenso wie die Regierungen Europas seit
Kriegsende gestanden haben. Aber sie sind mehr als gute Absichten, mehr
als ein Wunsch, unsere Beziehungen auf einen neuen Kurs zu setzen. Sie
sind eine moralische Verpflichtung, die wir nur unter Gefahr für uns alle
ignorieren können, und der Anfang eines neuen Kapitels in der
europäischen Geschichte Europas. Zusammen mit den Völkern Nordamerikas
und der Sowjetunion wollen wir die Vielfältigkeit der europäischen
Zivilisation aufrechterhalten, aber ihren brudermörderischen Spaltungen
ein Ende bereiten und ihr eine neue und bessere Zielrichtung geben. Über
ein Jahrhundert lang war die Geschichte Europas eng mit der Geschichte
Deutschlands verknüpft. Seit dem Krieg war Berlin, was es auch heute noch
ist und weiterhin sein wird, ein Prüfstein für den Stand der Beziehungen
in Europa. Die Verträge, Abkommen und Regelungen zwischen der BRD, der
DDR, Polen, der CSSR und den Vier Mächten in Deutschland haben viel zur
Entspannung der Lage im Herzen Europas beigetragen. Wir spielten unsere
volle Rolle in diesem Prozess, und wir freuen uns über die Vorteile, die
er gebracht hat. Diese Vorteile müssen nach Abschluss dieser Konferenz
weiterverfolgt werden. Vorbehaltlich der Viermächte-Rechte und
-Verantwortungen ist die Regierung der Vereinigten Königreichs der
Ansicht, dass die aus dieser Konferenz resultierenden Dokumente auch Bezug
auf Berlin haben. Die Schlussakte dieser Konferenz ist kein Vertrag, auch
keine Friedensregelung. Sie hat keinen Einfluss und kann keinen Einfluss
haben auf den Status gegenwärtiger Grenzen. Sie hat keinerlei Einfluss
und kann keinerlei Einfluss haben auf die Viermächte-Rechte und
-Verantwortungen in bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes. Aber sie
enthält die klare Verpflichtung, sich der Androhung oder Anwendung von
Gewalt zu enthalten. Innerhalb des Rahmens, den wir schaffen, kann es in
Zukunft keine Entschuldigung mehr für einen Teilnehmerstaat geben, der
versucht, einen anderen an der Ausübung seiner souveränen Rechte zu
hindern oder sich in seine inneren Angelegenheiten einzumischen. An der
Einlösung und Einhaltung dieser Versprechen werden unsere Völker, wird
die Geschichte uns, uns alle, jeden einzelnen von uns, beurteilen.
Zwangsläufig muss sich in unseren Diskussionen und Entscheidungen die
sehr gründliche Arbeit niederschlagen, die in bezug auf militärische
Aspekte geleistet wurde: die vertrauenbildenden Massnahmen, unsere
bescheidenen Vorkehrungen für den Austausch von Beobachtern bei
militärischen Manövern und zur vorherigen Ankündigung dieser Manöver,
die bis jetzt geleistete aber leider unvollständige Arbeit über die
Ankündigung von militärischen Bewegungen. Hier können wir nur hoffen,
dass es uns bei Wiederaufnahme der Diskussion im Jahre 1977 in Belgrad
möglich sein wird, weitere Fortschritte zu erzielen. Einige der hier
vertretenen Regierungen bemühen sich um eine Einigung auf einem noch
wichtigeren Gebiet militärischen Einvernehmens -- dem der
Truppenreduzierungen, die Gegenstand der Verhandlungen in Wien sind;
manche sagen, wenn erst einmal der neue politische Rahmen für unsere
künftigen Beziehungen geschaffen sei, werde es leichter sein,
Fortschritte bei der Verminderung des Ausmasses militärischer
Konfrontation und bei der Herbeiführung jener stabileren Beziehungen zu
machen, auf die alle an den Wiener Verhandlungen Beteiligten festgelegt
sind. Hoffen wir, dass dem so ist. Wir unsererseits sind entschlossen, die
Wiener Verhandlungen zum Erfolg zu führen, und hoffen, dass die Energie,
die in den erfolgreichen Abschluss von Genf gesteckt wurde, von allen
Beteiligten in Wien jetzt gleichermassen genutzt wird. Unsere Arbeit hier
wird nicht nur nach dem Geist des, Leben- und Lebenlassens beurteilt
werden, den diese Konferenz verkörpert. Sie wird danach beurteilt werden,
wie dieser Geist seinen Niederschlag findet im Leben gewöhnlicher
Familien, an Fragen wie der Familienzusammenführung, der Heirat von
Bürgern verschiedener Staaten, der vermehrten Reisemöglichkeiten, an
professionellen Austauschen aller Art und an besseren Arbeitsbedingungen
für unsere Journalisten und Geschäftsleute. Entspannung besagt wenig,
wenn sie sich nicht im Alltagsleben unserer Völker niederschlägt. Es
gibt keinen Grund, warum es im Jahre 1975 Europäern nicht freistehen
sollte, zu heiraten, wen sie wollen, zu hören und lesen, was sie wollen,
ins Ausland zu reisen, wann und wohin sie wollen, und zusammensein, mit
wem sie wollen. Diese These zu leugnen ist ein Zeichen nicht der Starke,
sondern der Schwache. Als Massstab wird dienen, wieweit das, was wir getan
haben, Wirklichkeit wird, und das wird auch eines der Themen für die
Nachfolgekonferenz von 1977 sein, nicht weniger als Fragen wie die
militärischen, wirtschaftlichen und kulturellen Regelungen. Von dieser
Konferenz hier in Helsinki an werden diese Dinge zur ständigen
Entspannungsagenda gehören. Was wir also als neuen Kodex politischer und
menschlicher Beziehungen innerhalb Europas festlegen, ist von Bedeutung
für alle, die wir hier vertreten. Doch in einem weiteren Sinne gesehen:
Was wir erreicht haben und nun konsolidieren werden, wird von der
Geschichte nach dem Erfolg beurteilt werden, mit dem wir unsere
Errungenschaft der übrigen Welt zugänglich machen ... Unsere
Errungenschaften verlieren als Beitrag zur Weltgeschichte an Wert, wenn
das von uns hier Vereinbarte sich nicht auf das Leben von Nationen in
allen Teilen der Welt bereichernd auswirkt. In den Dokumenten, denen wir
unsere Billigung gaben, haben wir einen begrenzten Schritt in Richtung
wirtschaftliche Kooperation getan. Wir müssen enger zusammenarbeiten im
Hinblick auf weltweite wirtschaftliche Kooperation. Das ist ganz besonders
dringlich in einer Zeit, da Explosionen bei Ölpreisen und anderen
unvermeidbaren Grundkosten die Wirtschaft der Welt erschüttert haben. Sie
haben das Gefüge wirtschaftlich hochentwickelter Staaten erschüttert und
einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit verursacht. In den Ländern
jedoch, die seit Jahren am Rande des Hungers existieren, sind nicht allein
Arbeitsplätze gefährdet, sondern das Leben Hunderttausender von
Menschen. Unsere verschiedenen innereuropäischen Gruppierungen setzen
sich mit diesen Problemen innerhalb ihrer eigenen Räume auseinander, und
viele von uns sind auf der gemeinsamen Suche nach weltweiten Lösungen..,
Und auch in anderer Hinsicht sollte das, was wir durch die Arbeit der KSZE
erzielt haben, nicht auf unseren Kontinent beschränkt bleiben.
Beispielsweise hat es erfreuliche Fortschritte gegeben, was die
Freizügigkeit von Einzelpersonen und Familien betrifft. Doch hoffe ich,
dass das, worauf wir alle uns heute für Europa festgelegt haben, auch
für jene in unseren Ländern gelten kann, die ein neues Leben ausserhalb
Europas beginnen möchten, ob in Nahost oder anderswo. Schliesslich
möchte ich, dass wir uns bemühen, die Konzeption der Entspannung in
aller Welt zu propagieren. Wenn wir ehrlich sind, dann ist die Entspannung
in Europa -- eine Entspannung, die auf so staatsmännische Weise von den
beiden grössten Mächten der Welt erarbeitet wurde -- durch die
Anerkennung eines Gleichgewichts des Schreckens vor allem auf atomarem
Gebiet zustande gekommen und davon abhängig. Die Entspannung, die wir
verfechten, sollte mit einer nicht minder grossen Entschlossenheit
einhergehen, die Verbreitung nuklearen Terrors in der Welt zu verhindern.
Drei der hier vertretenen Nationen sind Mitbewahrer des NV-Vertrages. Die
grosse Mehrheit der Länder hier sind dem Vertrag beigetreten und haben
dadurch einen direkten Beitrag zur Schaffung einer sicheren Welt
geleistet. Jenen, die bislang dem Vertrag noch nicht beigetreten sind,
möchte ich lediglich sagen, dass die Verbreitung von Kernwaffen unser
aller Sicherheit gefährdet. Es geht nicht darum, dass der Besitz solcher
Waffen irgendeinen Sonderstatus beinhaltet; er beinhaltet zweifellos
gewaltige Verantwortungen".
3. Honecker bezeichnet das Konferenzergebnis
als Lösung der wesentlichen Probleme der Nachkriegszeit und betont
Unverletzlichkeit der Grenzen
Der Erste Sekretär des ZK der SED Erich
HONECKER führte am 30. Juli laut ND u. a. aus: "Es ist von tiefer
Symbolik, dass die erste Konferenz der europäischen Staaten sowie der USA
und Canadas im 30. Jahr der Befreiung der Völker Europas vom
Hitlerfaschismus durch die Sowjetunion und die anderen Staaten der
Antihitler-Koalition stattfindet. Mit ihren Ergebnissen trägt die
Konferenz dazu bei, das Vermächtnis jener Millionen Söhne und Töchter
so vieler Völker zu erfüllen, die heldenmütig gegen die Barbarei des
Faschismus gekämpft haben. Sie legten den Grundstein für ein sicheres
und friedliches Europa. Die gesamteuropäische Staatenkonferenz ist in der
wechselvollen Geschichte des europäischen Kontinents ohne Beispiel. Ihr
Abschluss ist ein Erfolg der Sache des Friedens, ein Sieg des politischen
Realismus und der Vernunft. Erneut erweist sich: zur Politik der
friedlichen Koexistenz gibt es keine Alternative. Das in Helsinki
versammelte Staatenforum bekräftigt die Wende vom ,kalten Krieg' zur
Entspannung in Europa. Zum erstenmal wird auf unserem Kontinent
entsprechend dem Völkerrecht mit den Dokumenten dieser Konferenz
gleichsam ein Kodex der Anwendung der Prinzipien der friedlichen
Koexistenz zwischen Staaten unterschiedlicher gesellschaftlicher Ordnung
von allen Teilnehmerstaaten vereinbart und durch die Unterschrift ihrer
höchsten Repräsentanten feierlich besiegelt. Nunmehr sind jene
wesentlichen Probleme gelöst, die in der Nachkriegsperiode die
Beziehungen zwischen den Staaten belastet haben ... Das bilaterale
Vertragswerk zwischen einzelnen Staaten ebnete den Weg zur multilateralen
Regelung gesamteuropäischer Probleme und schuf dafür eine kollektive
völkerrechtliche Grundlage. Die Fortschritte sind unverkennbar und zum
Nutzen aller. Als untrennbarer Bestandteil der sozialistischen
Gemeinschaft hat die DDR das europäische Vertragswerk mitgestaltet und
damit zum erfolgreichen Verlauf der Sicherheitskonferenz beigetragen.
Dabei hat die DDR in jeder Phase dieses nicht ohne Widersprüche
verlaufenen Prozesses unter Beweis gestellt, dass ihr Handeln vom
Interesse an Frieden und Entspannung geprägt ist und dass sie als ein
stabilisierender Faktor für den Frieden in Europa wirkt. Mit Genugtuung
können wir feststellen, dass der Inhalt der Dokumente der Konferenz mit
den grundlegenden Interessen und aussenpolitischen Zielen der DDR
übereinstimmt. Frieden und Sicherheit entsprechen zutiefst dem Wesen der
sozialistischen Gesellschaftsordnung. Eingedenk der bitteren Erfahrungen
zweier verheerender Weltkriege, die von deutschem Boden ihren Ausgang
nahmen, sieht die DDR ihre besondere Verpflichtung darin, alles in ihren
Kräften Stehende zu tun, im Zentrum Europas Frieden und Sicherheit
dauerhaft zu gewährleisten. Deshalb heisst es in unserer Verfassung: ,Die
DDR betreibt eine dem Sozialismus und dem Frieden, der
Völkerverständigung und der Sicherheit dienende Aussenpolitik-. Dies
bestimmt auch unsere Haltung zu den eingegangenen Verträgen und
Vereinbarungen. Wir treten für ihre strikte Einhaltung und volle
Anwendung nach Treu und Glauben ein. Als sozialistischer Staat im Herzen
Europas an der Nahtstelle der mächtigsten Bündnissysteme unserer Zeit
misst die DDR der Sicherheit vorrangige Bedeutung bei. Nur wenn die
Sicherheit und die Souveränität der Staaten garantiert sind, ist eine
fruchtbare, gedeihliche und gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit
möglich. In Anbetracht der historischen Lehren und der aktuellen
Erfordernisse der europäischen Politik ist die Achtung und Anerkennung
des Prinzips der Unverletzlichkeit der Grenzen das Entscheidende. Die
Sicherheit der europäischen Staaten war und ist vor allem die Sicherheit
ihrer Grenzen. Die furchtbaren Kriege, die in diesem Jahrhundert unseren
Kontinent verwüsteten, waren das Resultat einer Politik, die -- unter
welchem Vorwand auch immer - die Verletzung der bestehenden Grenzen, die
Missachtung der Souveränität und territorialen Integrität anderer
Staaten zum Ausgangspunkt hatte. Die Anerkennung des Prinzips der
Unverletzlichkeit der Grenzen bleibt der Prüfstein dafür, ob eine
Politik wirklich dem Frieden und somit den Interessen der Menschen dient.
In der uneingeschränkten Anwendung dieser Prinzipien der Sicherheit sehen
wir die Grundvoraussetzung für die Entwicklung einer gleichberechtigten,
gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit. Sicherheit ist die stabile
Grundlage für die Zusammenarbeit. Die DDR ist bereit, mit allen Staaten
auf ökonomischem, wissenschaftlich-technischem Gebiet, in den Bereichen
der Bildung, der Kultur und des Sportes friedlich zusammenzuarbeiten. Mit
Sorge sehen wir, dass die militärische Entspannung hinter der
fortschreitenden politischen Entspannung zurückbleibt. Die Fortsetzung
des Wettrüstens konnte die so schwer errungenen Ergebnisse der
politischen Entspannung gefährden. Die DDR ist der Auffassung, dass auch
auf dem Gebiet der Abrüstung und der Rüstungsbegrenzung entschlossene
und effektive Massnahmen vereinbart werden müssen, die den Interessen
aller entsprechen und keinem der Beteiligten einseitige Vorteile
verschaffen dürfen. Wir sind und bleiben bereit, daran aktiv und
konstruktiv mitzuarbeiten. Der historische Wert und die Gültigkeit der
Konferenzergebnisse wird von den Völkern daran gemessen, wie sie in der
Praxis der Beziehungen zwischen den Staaten mit Leben erfüllt werden.
Dies wird nicht das Werk einiger Tage, sondern einer ständigen
beharrlichen Arbeit sein. Uns ermutigt dabei, dass diese Konferenz selbst
Beispiel für die vielfältigen Möglichkeiten ist, komplizierte
internationale Fragen im gegenseitigen Interesse zu lösen. Wir übersehen
auch nicht die Hindernisse, die der Entspannung noch in den Weg gestellt
werden, und die es mit Mut zur Sache, mit Entschiedenheit zu überwinden
gilt, damit die erreichten Ergebnisse gefestigt und ausgebaut werden
können. Helsinki ist kein Schlusspunkt, sondern der Auftakt zu neuen
Initiativen. Unser Ziel ist, für immer Aggression und Krieg aus dem Leben
der europäischen Völker und Staaten zu verbannen ..."
4. Schmidt verweist u. a. auf die besondere
Bedeutung der Ostverträge für die Entspannung in Europa
Bundeskanzler Helmut SCHMIDT führte laut
Bulletin am 30. Juli u. a. aus: "Die Beilegung der Cuba-Krise war der
erste Schritt fort von der militärischen Konfrontation, und mit dem
Atomtest-Stoppvertrag haben dann die Vereinigten Staaten von Amerika und
die UdSSR den langen, mühsamen Weg der Entspannung, der uns heute hier in
Helsinki zusammengeführt hat, beschritten, einen Weg, auf dem die Etappen
des Nichtverbreitungsvertrages (NPT) oder die erste Vereinbarung aber die
Begrenzung strategischer Angriffswaffen, auch SALT genannt, wichtige
bisherige Ergebnisse gewesen sind. Die Bundesregierung hat seit Jahren
aktiv zu diesem Prozess der weltweiten Entspannung und der Sicherung des
Friedens beigetragen. Ich erwähne besonders die unter der Verantwortung
der Herren Willy BRANDT und Walter SCHEEL zustande gebrachten Verträge,
die wir geschlossen haben, nämlich - unseren Vertrag mit der UdSSR vom
August 1970 (15843 A) -- unseren Vertrag mit der VR Polen aber die
Grundlagen der Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen vom Dezember
1970 (15868 A) -- unseren Vertrag aber die Grundlagen der Beziehungen
zwischen der BRD und der DDR vom Dezember 1972 (17451 E) und ebenso
erwähne ich -- den Vertrag über die gegenseitigen Beziehungen zwischen
der BRD und der CSSR vom Dezember 1973 (28373 C). Schliesslich haben die
Vier Mächte durch ihr Abkommen vom 3. September 1971 Berlin in den
Prozess der Entspannung einbezogen (16498 C). Der Deutsche Bundestag und
die Bürger meines Landes betrachten die Ergebnisse dieser Konferenz mit
Anerkennung, gleichwohl aber auch ganz nüchtern. Auf Jahrzehnte der
Konfrontation folgt nicht über Nacht eine Epoche der Kooperation. Und
für den Prozess der Entspannung genügt auch nicht ein einmaliger Anstoss;
sondern er braucht unser aller ständiges, unser stetiges Zutun, damit
dieser Prozess kontinuierlich fortschreitet. Aber wir können andererseits
feststellen, dass nach einer Reihe von Jahren der Entspannungspolitik die
Staaten nun einander naher gekommen sind. Gewiss kann unter 35 Staaten
Übereinstimmung oft nur auf einem relativ kleinen gemeinsamen Nenner
erzielt werden. Zwischen Ost und West bleiben fundamentale Unterschiede in
den ideologischen Systemen, in den politischen und wirtschaftlichen
Systemen. Aber zum ersten Mal sind hier in den Dokumenten dieser Konferenz
wichtige Formeln des Friedens durch Entspannung und durch Zusammenarbeit
von Staaten in Ost und West als gemeinsame politische Absicht
niedergeschrieben worden und damit sind Massstäbe gesetzt worden. Es
wäre gewiss falsch, beim gegenwärtigen Stand der Beziehungen zwischen
Ost und West die unmittelbaren Erwartungen zu hoch anzusetzen. Der
Fortschritt der Entspannung, das haben schon viele Redner vor mir heute
nachmittag hier ausgeführt, ich schliesse mich dem an -- der Fortschritt
der Entspannung hängt vielmehr davon ab, ob wir und wie weit wir auf der
gemeinsam erarbeiteten Grundlage nun in der Zukunft zu praktischen
Schritten kommen, zu praktischen Schritten, die den Hoffnungen der
Menschen gerecht werden. Diese Konferenz konnte dann bald vergessen sein,
wenn wir nicht alle hart dafür arbeiten, dass die Hoffnungen auch
tatsächlich erfüllt werden. Wir haben im gesamteuropäischen
Zusammenhang allgemeine Grundsätze des Verhaltens von Staaten
untereinander bekräftigt. Die BRD hat von jeher den Verzicht auf die
Androhung und den Verzicht auf die Anwendung von Gewalt als Grundlage
ihrer Politik betrachtet. Das gilt auch und gerade in bezug auf die
Änderung von Grenzen. Grenzen sind unverletzlich; sie müssen aber
friedlich und einvernehmlich verändert werden können. Unser Ziel bleibt
es, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das
deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt. Die
nach dem Grundsatz der Konferenzdokumente mögliche Veränderung von
Grenzen auf friedliche Weise und durch Vereinbarung ist wichtig ebenso im
Hinblick auf das erklärte Ziel der Europäischen Gemeinschaft, auf das
erklärte Ziel neun europäischer Staaten, zu einer Europäischen Union zu
werden. Für die BRD ebenso wie für andere Teilnehmerstaaten ist
wesentlich, dass die Konferenztexte die bestehenden Rechte und
Verpflichtungen sowie die diesbezüglichen Verträge, Abkommen und
Abmachungen nicht berühren. Desgleichen ist für uns die Absicht der
Teilnehmerstaaten wichtig, die Ergebnisse dieser Konferenz in ganz Europa
wirksam werden zu lassen also auch in Berlin. Die Entspannung muss sich ja
auch überall in Europa und nicht zuletzt in Berlin bewähren; denn die
Berliner haben, mehr als manche andere Europäer, die Spannungen und
Konflikte erlebt, die in den langen Jahren des kalten Krieges ihre Stadt
zu einem Schauplatz der Unruhe und einer auf die ganze Welt ausstrahlenden
gefährlichen Nervosität gemacht haben. In diesem Zusammenhang begrüsse
ich die Feststellung, die der britische Premierminister hierzu heute
nachmittag getroffen hat. Wir hoffen, dass das Vertrauen der europäischen
Völker zueinander auch durch die Vereinbarungen über die Ankündigung
von Manövern gefördert wird. Sicherlich darf der unmittelbare
militärische Wert dieser Absprache nicht überschätzt werden; an der
Sicherheitslage in Europa ändert sich hierdurch noch nicht viel. Aber
diese Absprache ist ein politischer Fortschritt auf dem Wege zu weiteren
Vereinbarungen, durch welche die militärische Bedrohung herabgesetzt und
die gefährliche Massierung von Truppen und Waffen in Europa verringert
werden soll. Die Gespräche in Wien über beiderseitige ausgewogene
Truppenreduzierungen (MBFR; siehe 19389 D) können nunmehr -- auf Helsinki
aufbauend -- zu Fortschritten geführt werden. Wir denken, das Ziel muss
sein, die Europäer von Furcht vor einem Krieg zu befreien, die
Rüstungslasten zu verringern und dabei ein stabiles Gleichgewicht der
Kräfte zu erhalten. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich mir davon,
zumal als Sozialdemokrat, zugleich eine Steigerung unserer sozialen
Wohlfahrt und unseres wirtschaftlichen Fortschrittes erwarte, Wir haben
den festen Willen, die bisherige Politik der wirtschaftlichen Kooperation
zu intensivieren. Mein Land steht damit allerdings nicht erst vor dem
Beginn; vielmehr haben wir unseren Wirtschaftsaustausch mit den Staaten
Osteuropas in den letzten fünf Jahren bereits ungewöhnlich gesteigert.
Wir werden dies auch künftig fortsetzen und uns dabei durch die
Unterschiedlichkeit der Wirtschaftsordnungen, durch die
Unterschiedlichkeit der Wirtschaftssysteme nicht entmutigen lassen. Es
gilt, die beiderseitigen Ressourcen zum gegenseitigen Vorteil, zum
gemeinsamen Vorteil starker zu nutzen und durch eine vertiefte
Zusammenarbeit der Volkswirtschaften den Frieden zu fordern. Was die
Notwendigkeit menschlicher Begegnung, über den Informationsaustausch,
über die Zusammenarbeit in Kultur und Bildung angeht, darüber haben die
Konferenzteilnehmer ausführlich gesprochen; die bisherigen Ergebnisse
können uns in denjenigen Staaten, in denen die Freizügigkeit der
Menschen und der Meinungen selbstverständlich ist und in denen diese
Freizügigkeit ursachlich für die Vielfalt der Ideen und auch für die
Wohlfahrt der Länder ist, sie können uns nicht voll befriedigen. Die
Menschen müssen einstweilen mit dem vorliebnehmen, was angesichts der
Systemunterschiede und angesichts des noch bestehenden Misstrauens heute
möglich ist. Aber die Menschen haben den dringenden Wunsch nach Abbau der
noch bestehenden Beschränkungen. Sie erwarten fühlbare Fortschritte im
Zusammenleben der Menschen in Ost und West, sie erwarten mehr Reisen über
die trennenden Grenzen hinweg, sie erwarten bessere Arbeitsbedingungen
für ausländische Journalisten, sie erwarten verstärkten Austausch von
Jugendlichen und von Sportlern. Vertrauen setzt Begegnung voraus. Die
Politiker werden in allen Staaten, unabhängig von deren Verfassungssystem
oder von deren gesellschaftspolitischem System, Politiker werden daran
gemessen, ob sie die moralische Stärke und ob sie die politische Kraft
aufbringen, aus vernünftigen Prinzipien, die hier im Augenblick auf dem
Papier stehen, ob sie daraus nachprüfbare Wirklichkeit machen. Die
Bürger in allen unseren Ländern haben schon viele internationale
Konferenzen beobachtet, und sie sind manchmal demgegenüber skeptisch
gestimmt. Wir müssen sie durch substantielle Fortschritte in den
Beziehungen zu ihren europäischen Mitbürgern davon überzeugen, dass es
sich bei diesen Dokumenten nicht bloss um ein kunstvolles Werk der
Diplomatie handelt, sondern um eine Aufforderung zum Handeln, die keiner,
ohne Schaden für sich selbst, später ignorieren kann. Die Unterschrift,
die wir hier leisten, bedeutet deswegen eine schwerwiegende Verpflichtung
für uns alle, die wir unterschreiben, den Worten dann die Taten und die
Praxis folgen lassen. Hier steht die Glaubwürdigkeit eines jeden
einzelnen von uns, eines jeden einzelnen Staats- und Regierungschefs in
West und Ost auf dem Spiele. Vor zwei Jahren waren sich alle beteiligten
Regierungen bewusst, dass wir mit dieser Konferenz in vielerlei Hinsicht
Neuland betreten würden. In ihrer Zielsetzung ist diese Konferenz, diese
KSZE, ohne Vorbild. Sie hat zum ersten Mal die Staaten Europas und
Nordamerikas mit der ganzen Breite ihrer Probleme an einen gemeinsamen
Tisch gesetzt. Diese Konferenz hat für Europa kein neues Völkerrecht
geschaffen. Aber wir haben gemeinsame Regeln geschaffen für die Art und
Weise, wie wir in Europa miteinander umgehen und wie wir in Europa
zusammenleben wollen. Hier in Helsinki bekräftigt und dokumentiert Europa
gemeinsam mit den Staaten Nordamerikas einen neuen Schritt auf dem Wege
zur Stabilisierung des Friedens. Dies ist ein Weg, auf dem wir mit Geduld
und Beharrlichkeit und ohne uns durch Rückschläge entmutigen zu lassen,
Schritt für Schritt weitergehen müssen. Die Nachbarn der BRD, die
Nachbarn in Ost und West, können sich dabei auf unsere Stetigkeit
verlassen. Wir werden unsere europäischen Pflichten erfüllen. "
5. Graber bedauert Ablehnung des
schweizerischen Vorschlags zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten
Der schweizerische Bundespräsident Pierre
GRABER führte laut Mitteilung der schweizerischen Botschaft, Bonn, am 30.
Juli u. a. aus: "Die Schweiz, am Schnittpunkt dreier Kulturkreise
gelegen, die viel zur weiteren Ausstrahlung des alten Kontinents
beigetragen haben, hat immer das Leben Europas mitempfunden. Sie hat
während ihrer ganzen, siebenhundertjährigen Geschichte dessen
Höhepunkte und Bedrängnisse geteilt. Wie ich vor 2 Jahren, hier an der
gleichen Stelle, erklärte, war die Neutralität meines Landes nie ein
Alibi für eine Politik des ,leeren Stuhles', für Teilnahmslosigkeit und
Rückzug auf sich selbst, Sie hat in ihm im Gegenteil das Bedürfnis zur
Solidarität und den Willen wachgerufen, jederzeit und nach Massgabe
seiner Mittel der internationalen Gemeinschaft zu dienen. Dank einer
glücklichen geschichtlichen Fügung gelang es der Schweiz selbst, die
Gegensätze der Rasse, der Sprache und der Religion zu überwinden, die zu
Auseinandersetzungen unter ihren Nachbarn geführt haben, und empfand
daher deren Konflikte wie Bruderzwiste. Sie hat ihre Aussöhnung
sehnlichst gewünscht und freut sich über ihre heutige Zusammenarbeit.
Aber ihr Interesse beschränkte sich nicht auf diesen unmittelbaren
Gesichtskreis: Das gute Einvernehmen ganz Europas ist und bleibt unser
stetiger Wunsch. Die Tatsache, dass wir keinen Bündnissen oder
Koalitionen beigetreten sind, entsprach somit zutiefst einer Berufung, die
im weitesten Sinne europäisch ist. Deshalb freuen wir uns, dass die
Option der Neutralität in das Kapitel der Prinzipien Aufnahme gefunden
hat, die in den Beziehungen zwischen den Staaten Geltung haben sollen. Die
Neutralität wurde damit als ein spezifisches Instrument der europäischen
Sicherheit und Zusammenarbeit anerkannt ... Die Bestimmungen, die wir hier
feierlich verabschieden werden, müssen -- in diesem Bereich wie in den
anderen -- morgen in die Tat umgesetzt werden. Ihre Anwendung wird das
Ausmass des Willens der hier versammelten Staaten zeigen, dem so
abgesteckten Rahmen einen konkreten Inhalt zu verleihen. Die Fortschritte,
die im weiten Bereich der menschlichen Beziehungen, das heisst der
Beziehungen auf der Ebene der Einzelnen, verwirklicht werden und die dazu
bestimmt sind, die Trennwände in Europa weniger dicht zu gestalten, diese
Fortschritte werden in unserer Bewertung der Bilanz der Konferenz ganz
besonders ins Gewicht fallen. Wir wünschen zum Beispiel, dass gewisse
Probleme, die sich als besonders schwierig erwiesen haben - ich denke
dabei namentlich an alle die menschlichen Dramen, die sich aus der
Trennung von Familien ergeben --, künftighin im geeigneten multilateralen
oder bilateralen Rahmen Lösungen finden, die diesem Geist entsprechen.
Auf einem anderen Gebiet, dem wir ebenfalls eine grosse Bedeutung
beimessen, hoffen wir auf eine Erleichterung der umfassenderen Verbreitung
und des freieren Zugangs zu Informationen sowie der Arbeit der
Journalisten, und dass auf diese Weise nach und nach eine Situation
überwunden wird, die heute noch weit davon entfernt ist, überall
befriedigend zu sein. Das gleiche Bedürfnis, den Prinzipien, die in den
Beziehungen zwischen den Teilnehmerstaaten Geltung haben sollen, konkreten
Gehalt zu geben, hat uns dazu bewogen, einen ausführlichen Vorschlag zur
friedlichen Beilegung von Streitigkeiten zu unterbreiten (18047 A/10). Die
Diskussionen in Genf haben leider gezeigt, dass gewisse Wesenszüge dieses
Vorschlages, vor allem der obligatorische Charakter der Entscheide oder
ganz einfach des Verfahrens, noch nicht für alle annehmbar sind. Dies hat
uns jedoch in unseren Bemühungen keineswegs entmutigt. Wir stellen
vorläufig fest, dass die Konferenz einerseits den 35 Teilnehmerstaaten
die Gelegenheit gegeben hat, zum ersten Mal auf eingehende Art und Weise
einen Gedanken zu diskutieren, der seit jeher eine der tragenden Ideen
unserer Aussenpolitik bildete. Andererseits werde es uns die Folgen der
Konferenz und das präzise Mandat, das wir in diesem Bereich erhalten
haben, erlauben, in zwei bis drei Jahren die Prüfung und die Ausarbeitung
eines derartigen Systems wiederaufzunehmen. Wir werden diesmal die
Verwirklichung unseres Vorschlages mit grösseren Erfolgsaussichten ins
Auge fassen können. Einige fanden ihn zu anspruchsvoll, andere noch nicht
reif genug. Wie immer dem auch sei, er bewahrt in unseren Augen den
Verdienst, das zu organisieren zu versuchen, was wir Frieden, Sicherheit
und Entspannung nennen, und diesen allgemeinen Vorstellungen einen reellen
konkreten Gehalt und -- warum sollen wir es nicht sagen? -- eine neue
Dimension zu geben ... Aus allen diesen Granden möchte ich abschliessend
sagen, dass die Resultate, die wir nun verabschieden, zugleich wenig und
viel bedeuten. Wenig, wenn man sie nur isoliert und als Endpunkt einer
langen und schwierigen Übung betrachtet. Viel, wenn sie das Vorzeichen
und das Versprechen einer wirklich neuen Ära in den internationalen
Beziehungen waren. Was uns betrifft, so sehen wir einer solchen
Entwicklung mit einem Optimismus entgegen, der sich in den Grenzen der
wenigen schon erreichten Fortschritte hält; aber auch mit Realismus und
Umsicht. Wir haben immer die Meinung vertreten, dass das Klima der
Entspannung, so willkommen es an sich als Gegenkraft zum kalten Krieg ist,
nicht wie durch Verzauberung jene Sicherheit erzeugt, nach der sich alle
Völker sehnen, die wir hier vertreten; viel eher ist das Gegenteil der
Fall. In diesem Geiste gebe ich dem Wunsche Ausdruck, dass die langen
Arbeiten unserer Konferenz, die heute ihren feierlichen Abschluss finden,
ein dauerhaftes Echo in den Ereignissen von morgen finden werden."
6. Kreisky stellt Staatsvertrag an die Spitze
des Entspannungsprozesses --, appelliert in der Nahostfrage an Araber und
Israelis und unterbreitet Vorschläge
Der österreichische Bundeskanzler Dr. Bruno
KREISKY führte laut Wiener Zeitung am 30. Juli u. a. aus: "Diese
Konferenz ist das Ergebnis eines schon stattgefundenen
Entspannungsprozesses, der -- wir sind so unbescheiden, das zu behaupten
-- mit dem Abschluss des österreichischen Staatsvertrages begonnen wurde.
Denn der österreichische Staatsvertrag war über die Bedeutung, die er
für das österreichische Volk hatte, hinaus, ein weithin sichtbares
Signal, dass es wieder möglich ist, am Verhandlungstisch zwischen den
Mächten zu substantiellen und haltbaren Ergebnissen zu gelangen. Es hat
lange gebraucht von damals bis heute, aber es scheint uns immerhin
bemerkenswert zu sein, dass dieser Kontinent nur selten in dieser
Geschichte ein Vierteljahrhundert ohne Krieg gekannt hat. Und deshalb
betrachten wir diese Konferenz als den Abschluss einer ersten, aber sehr
entscheidenden Phase der Entspannungspolitik. Von dieser Konferenz an muss
erst die Entspannungspolitik beginnen, sie muss nun sichtbare und
substantielle Resultate zeigen. Und da erscheinen uns einige Fragen neben
anderen von besonderer Bedeutung zu sein ... Die Welt des Mittleren Ostens
ist in vieler Hinsicht die Wiege unserer Kultur gewesen. Allein, dass die
grossen Religionen dort entstanden sind, dass vieles in unserer
Zivilisation von dort übernommen wurde, begründet ein Nahverhältnis,
das verpflichtend ist. Und deshalb sollte diese Konferenz eine Mahnung und
Aufforderung an die Regierungen der arabischen Staaten und Israels sein,
alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um auf friedliche Weise ihre
Konflikte beizulegen, wobei wir sehr genau um die Schwierigkeiten der
Probleme Bescheid wissen. Es muss einen Weg geben, der gleichermassen die
Rechte des israelischen und des palästinensischen Volkes respektiert.
Damit steht in engstem Zusammenhang ein Problem, das sich in besonderem
Masse für Europa stellt. Eine grosse Gruppe der europäischen
Industriestaaten, die sich der westlichen Welt zugehörig fühlen, sind in
ihrer Erdölversorgung vorläufig jedenfalls noch zu 98 % von Lieferungen
vor allem aus dem Mittleren Osten abhängig, und da es sich bei Erdöl um
einen Rohstoff besonderer Art handelt, müssen wir sehr rasch eine
konstruktive Zusammenarbeit zwischen Europa und den ölproduzierenden
Staaten des Mittleren Ostens finden. Eine Zusammenarbeit, die in mehr
besteht aus in blossen Kaufen und Verkäufen. Es müsste eine
Zusammenarbeit besonderer Art etabliert werden. Da nun einmal das
Energieproblem überhaupt eine vordringliche Rolle spielt und da der
europäische Osten jedenfalls vorläufig noch in einem höheren Masse
Energiestoffe produziert als der europäische Westen, so scheint es uns
vernünftig zu sein, dass sich die europäische Zusammenarbeit in
besonderem darauf konzentriert, das Konzept einer gesamteuropäischen
Energiewirtschaft vorzubereiten. Ein anderes Problem von aktuellster
Bedeutung -- darüber spreche ich schon sehr oft -ist der Ausbau des
europäischen Wasserstrassensystems. Hier wird es darauf ankommen, in den
nächsten Jahren vor allem was den Europakanal betrifft, der für neun
europäische Länder von Bedeutung ist, zu Lösungen zu kommen ... Die
Hilfe, die in 130 Ländern im Jahre 1974 geleistet wurde, wird auf zirka
38 Milliarden Dollar geschätzt. So beachtlich diese Summe ist, so scheint
sie offenbar nicht auszureichen, um jene Entwicklungshilfe zu leisten, die
erforderlich wäre. Hier müssten die industrialisierten Staaten zu einer
viel grösseren Anstrengung bereit sein, massten sich zum Ziel setzen, in
den Entwicklungsländern eine Infrastruktur herbeizuführen, die die
Menschen dieser Länder bewahrt vor dem Untergang in Hunger und Elend. Ich
weiss, dass auch mein Land diese Verpflichtung noch nicht in dem Masse
erfüllt, wie es uns zukommt, aber ich bin zur Überzeugung gelangt, dass
wir alle diese Verpflichtung leichter erfüllen könnten, wenn sie ein
Teil einer grossen kontinentalen und konzertierten Aktion wäre. Nur so
werden wir die in Entwicklung begriffenen Länder wirtschaftlich stärken,
werden sie an jenes Niveau heranführen, das es ihnen erlauben wird, in
eine wirkliche Partnerschaft mit der industrialisierten Welt einzutreten,
wird ein System wirtschaftlicher Verflechtung geschaffen, das allein das
sicherste Unterpfand friedlicher Entwicklungen ist. Ich spreche von einem
europäischen Plan zur Zusammenarbeit mit anderen Teilen der Welt
..."
7. Gierek u. a. über Unverletzlichkeit der
Grenzen und Beziehungen Polens zu Deutschland
Der erste Sekretär des ZK der PVAP Edward
GIEREK führte laut Radio Warschau am 31. Juli u. a. aus: "Die
Koexistenz zweier Gesellschaftssysteme -- des sozialistischen und des
kapitalistischen -- ist seit Jahrzehnten eine Realität in Europa. Polen
geht gemeinsam mit seinen sozialistischen Freunden von dem Grundsatz aus,
dass die friedliche Koexistenz, die eine historische Notwendigkeit ist,
vor allem den gegenseitigen Verzicht auf Krieg, sowohl heissen wie kalten,
sowie den gegenseitigen Verzicht auf alle Versuche der Einmischung in
innere Angelegenheiten von Staaten bedeutet. Wir verstehen sie auch als
konstruktive friedliche Zusammenarbeit, als Kooperation bei der Lösung
gemeinsamer Probleme, die sich aus dem Zusammenleben auf einem Kontinent
und aus den grossen Veränderungen, die die gegenwärtige Entwicklung der
Welt mit sich bringt, ergeben ... Heute stützt sich die Friedensordnung
erstmals in der Geschichte auf die allgemeine Anerkennung der souveränen
Rechte und Interessen aller Staaten unseres Kontinents, was den Völkern
günstige Bedingungen der Entwicklung und Sicherheit bietet. Die Grundlage
dieser Ordnung ist der politisch-territoriale Status quo, gestaltet als
Ergebnis des Sieges der Völker über den Faschismus, der Potsdamer
Beschlüsse und der Nachkriegsentwicklung. Die Erklärung über die
Prinzipien der zwischenstaatlichen Beziehungen, die wir hier unterzeichnen
werden, bestätigt die grundlegende Bedeutung der Unverletzlichkeit der
Grenzen und der territorialen Integrität der Staaten. Ihre Annahme durch
die Konferenz bedeutet, ein für allemal auf Gebietsforderungen zu
verzichten, die in der Vergangenheit die Keimzelle von Konflikten und
blutigen Kriegen waren. Das polnische Volk erblickt in dieser Erklärung
eine grosse Charta des Friedens in Europa. Die gegenwärtige europäische
Ordnung, die günstige Bedingungen für ein freundschaftliches
Zusammenleben und für die Zusammenarbeit der Völker unseres Kontinents
sichert, schafft auch die Voraussetzung dafür, die Vergangenheit zu
überwinden und friedliche Beziehungen der beiden deutschen Staaten zu
ihren Nachbarn und anderen Völkern zu gestalten. Ich möchte feststellen,
dass die VR Polen gemeinsam mit der DDR in der jahrhundertealten
schwierigen Geschichte der Nachbarschaft unserer Völker eine
grundsätzliche Wende vollzogen hat. Gestützt auf den Vertrag des Jahres
1970 strebt Polen konsequent nach einer Lösung der noch bestehenden
Probleme, nach einer weiteren Normalisierung der Beziehungen, nach der
Bewältigung der Vergangenheit und nach dem Aufbau einer friedlichen
Zusammenarbeit zwischen der VR Polen und der BRD. In der Neugestaltung der
Beziehungen zwischen Polen und den beiden deutschen Staaten, in der
Festigung des friedlichen Zusammenlebens in Mitteleuropa erblicken wir
einen unerlässlichen Beitrag aller seiner Länder zur Gewährleistung
einer dauerhaften Sicherheit auf dem gesamten Kontinent."
8. Breshnew bezeichnet Schlussdokument als
notwendige Bestandsaufnahme nach dem II. Weltkrieg und hebt Erfordernis
der Nichteinmischung hervor
Der Generalsekretär des ZK der KPdSU Leonid
Iljitsch BRESHNEW führte laut TASS am 31. Juli u. a. aus: "Wir alle,
die wir an der abschliessenden Phase der Konferenz über Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa teilnehmen, spüren den aussergewöhnlichen
Charakter dieses Ereignisses und seine politische Tragweite. Man kann mit
Sicherheit sagen: Dasselbe empfinden Millionen und aber Millionen Menschen
in allen auf der Konferenz vertretenen Ländern und nicht nur in diesen
Ländern allein. Sie sind sich gleich uns dessen bewusst, was in diesen
Tagen in der Hauptstadt Finnlands geschieht. Worauf ist eine solche
Einstellung der in diesem Saal anwesenden höchsten Politiker und
Staatsmänner zu der Konferenz zurückzuführen" Die Antwort besteht
wohl darin, dass mit den Ergebnissen der Konferenz Hoffnungen und
Erwartungen verknüpft sind, wie sie seit den bekannten gemeinsamen
Nachkriegsbeschlüssen der Alliierten keine andere kollektive
Veranstaltung wachgerufen hat. Den Vertretern der Generation, die die
Schrecken des II. Weltkrieges erlebt hat, ist es besonders klar, welche
historische Bedeutung diese Konferenz hat. Ihre Ziele sind vernunfts- und
gefühlsmässig auch jener Generation von Europäern verständlich, die in
Frieden aufgewachsen ist, in Frieden lebt und die mit Recht der Ansicht
ist, dass es anders auch gar nicht sein darf. In beiden Weltkriegen war
der Boden Europas überreich mit Blut getränkt worden. Um nun mit
vereinten Kräften dazu beizutragen, dass Europa ein Kontinent wird, der
keine kriegerischen Erschütterungen mehr kennt, sind in Helsinki die
höchsten Politiker und Staatsmänner von 33 europäischen Staaten sowie
der USA und Canadas zusammengekommen. Das Recht auf Frieden muss allen
Völkern Europas gesichert sein, und selbstverständlich sind wir dafür,
dass dieses Recht auch allen anderen Völkern unseres Planeten garantiert
wird. Europa, wo viele und hervorragende Nationalkulturen ihre Heimstatt
haben, wo die Weltzivilisation einen Höhepunkt erreichte, ist in der
Lage, bei der Gestaltung der zwischenstaatlichen Beziehungen auf der Basis
eines dauerhaften Friedens mit gutem Beispiel voranzugehen. Die
Sowjetunion betrachtet die Ergebnisse der Konferenz nicht nur als eine
notwendige politische Bestandsaufnahme nach dem II. Weltkrieg. Sie sind
zugleich Zukunftsdenken, ausgehend von den heutigen Realitäten und den
jahrhundertelangen Erfahrungen der europäischen Völker. Hier, in Europa,
haben sich Aggressoren wiederholt zweifelhafte ,Lorbeeren' erworben, um
dann von den Völkern verflucht zu werden. Hier, in Europa, wurden
Weltherrschaftsansprüche zur politischen Doktrin erhoben, Ansprüche, die
mit dem Zusammenbruch von Staaten endeten, deren Ressourcen in den Dienst
verbrecherischer, menschenfeindlicher Ziele gestellt worden waren. Daher
ist jetzt die Stunde gekommen, aus den Erfahrungen der Geschichte die
unumgänglichen kollektiven Schlüsse zu ziehen. Und diese Schlüsse
ziehen wir hier in der vollen Erkenntnis unserer Verantwortung für die
Zukunft des europäischen Kontinents, der in Frieden leben und sich in
Frieden entwickeln soll. Kaum jemand wird wohl bestreiten, dass die
Ergebnisse der Konferenz eine sorgfältig abgewogene Ausbilanzierung der
Interessen aller Teilnehmerstaaten sind. Deshalb muss mit ihnen besonders
sorgsam umgegangen werden. Hinter uns liegt der nicht leichte Weg von der
blossen Idee der gesamteuropäischen Konferenz bis zu deren Höhepunkt:
dem Abschluss auf höchster Ebene. Die Sowjetunion ist in ihrer
nüchternen Beurteilung von Verhältnis und Dynamik der verschiedenen
politischen Kräfte in Europa und in der Welt fest davon überzeugt, dass
die mächtigen Tendenzen zu Entspannung und gleichberechtigter
Zusammenarbeit, die in den letzten Jahren zunehmend den Trend der
europäischen und der Weltpolitik bestimmen, dank der Konferenz und ihren
Ergebnissen noch mehr an Kraft und Schwung gewinnen werden. Das Dokument,
das wir zu unterzeichnen haben, zieht einen Strich unter die Vergangenheit
und weist mit seinem Inhalt in die Zukunft. Die erzielten Vereinbarungen
erstrecken sich auf die aktuellen Probleme, welche Frieden, Sicherheit und
Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten sind ... Die Konferenz hat die
Richtungen und die konkreten Formen der Zusammenarbeit auch in Handel und
Wirtschaft, Wissenschaft und Technik, Umweltschutz, Kultur und Bildung,
sowie im Bereich der Kontakte zwischen Menschen, Institutionen und
Organisationen festgelegt. Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt es jetzt
auch auf Gebieten, wo sie in den Jahren des kalten Krieges undenkbar war:
zum Beispiel den stärkeren Informationsaustausch im Interesse von Frieden
und Völkerfreundschaft. Es ist kein Geheimnis, dass die Massenmedien
friedlichen und vertrauensbildenden Zielen dienen, die sie aber auch das
Gift der Zwietracht zwischen den Ländern und Völkern in der Welt
verbreiten können. Wir möchten hoffen, dass die Ergebnisse der Konferenz
auch auf diesen Gebieten als Richtschnur für die Zusammenarbeit dienen
werden. Die Konferenz hat eine Reihe wichtiger Vereinbarungen beschlossen,
die die politische Entspannung durch die militärische ergänzen. Das ist
ebenfalls eine qualitativ neue Stufe in der Stärkung des Vertrauens
zwischen den Staaten. Die Sowjetunion tritt konsequent dafür ein, dass
die militärische Entspannung nach der Konferenz weiterentwickelt wird.
Eine der vorrangigen Aufgaben auf diesem Gebiet ist es, Wege zur
Reduzierung von Streitkräften und Rüstungen in Mitteleuropa zu finden,
ohne die Sicherheit irgendeiner Seite zu beeinträchtigen, vielmehr zum
Nutzen für alle. Die besondere politische Bedeutung und die moralische
Kraft der auf der Konferenz erzielten Vereinbarungen sind darin
begründet, dass sie durch die Unterschriften der führenden Staatsmänner
der Teilnehmerstaaten besiegelt werden. Es ist unsere gemeinsame
wichtigste Aufgabe, diese Vereinbarungen voll wirksam werden zu lassen.
Wir gehen davon aus, dass alle auf der Konferenz vertretenen Länder die
erzielten Vereinbarungen in die Tat umsetzen werden. Was die Sowjetunion
betrifft, so wird sie dies tun. Unserer Ansicht nach ist das
Gesamtergebnis der Konferenz darin zu sehen, dass die internationale
Entspannung in immer grösserem Masse konkreten materiellen Inhalt
erhält. Und gerade auf die Materialisierung der Entspannung kommt es an.
Sie ist das Wesentliche an allem, was den Frieden in Europa wirklich
stabil und unerschütterlich machen soll. Als die Hauptsache betrachten
wir dabei die Aufgabe, das Wettrüsten zu beenden und reale Resultate bei
der Abrüstung zu erreichen. Sehr wichtig ist es, richtige und gerechte
Grundsätze für die zwischenstaatlichen Beziehungen zu proklamieren.
Nicht minder wichtig ist es, diese Grundsätze in den heutigen
internationalen Beziehungen zu verankern, sie praktisch anzuwenden und zu
einem Gesetz des internationalen Lebens zu erheben, das von niemandem
übertreten werden darf. Das ist das Ziel unserer Friedenspolitik, und das
erklären wir noch einmal von dieser hohen Tribüne aus ... Damit sich
aber die Hoffnungen, die die Völker mit diesem Treffen, mit den
Beschlüssen der Konferenz verbinden, voll erfüllen und nicht beim ersten
Sturm ins Wanken geraten, bedarf es weiterer gemeinsamer Anstrengungen,
bedarf es tagtäglichen Bemühens aller Teilnehmerstaaten um die
Vertiefung der Entspannung. Der Erfolg der Konferenz ist nur deshalb
möglich geworden, weil ihre Teilnehmer einander immer wieder
entgegenkamen und es verstanden, unter Überwindung von Schwierigkeiten,
die häufig beträchtlich waren, letzten Endes doch allgemein annehmbare
Vereinbarungen über jede erörterte Frage auszuarbeiten. Diese
Vereinbarungen sind nicht etwa dadurch zustande gekommen, dass die einen
Konferenzteilnehmer anderen ihre Ansichten aufgezwungen hätten, sondern
sie sind durch Berücksichtigung der Meinungen und Interessen aller und
mit allgemeiner Zustimmung erzielt worden. Wenn es hier Kompromisse gibt,
so sind es begründete Kompromisse, Kompromisse, die dem Frieden nützen,
ohne die Unterschiede in Ideologie und Gesellschaftsordnung zu verwischen.
Genauer gesagt, es handelt sich hierbei um einen Ausdruck des gemeinsamen
politischen Willens der Teilnehmerstaaten in der Form, in der dies heute
angesichts des Bestehens von Staaten unterschiedlicher sozialer Ordnung
erreichbar ist. Aus den Arbeitserfahrungen der Konferenz ergeben sich auch
für die Zukunft wichtige Schlüsse. Der wichtigste von ihnen -- er ist im
Abschlussdokument niedergelegt -- lautet: Niemand darf aus diesen oder
jenen aussenpolitischen Erwägungen heraus anderen Völkern zu diktieren
versuchen, wie sie ihre inneren Angelegenheiten zu regeln haben. Das Volk
eines jeden Staates, und nur es allein hat das souveräne Recht, über
seine inneren Angelegenheiten zu entscheiden und seine inneren Gesetze zu
erlassen. Jedes andere Verhalten wäre ein unsicherer und gefährlicher
Boden für die internationale Zusammenarbeit. Das Dokument, das wir
unterzeichnen, ist eine breite, aber klar umrissene Plattform für ein-,
zwei- und mehrseitige Aktionen von Staaten auf Jahre, vielleicht auch auf
Jahrzehnte hinaus. Das Erreichte ist aber nicht die Höchstgrenze. Heute
ist es das Maximum des Möglichen, morgen aber muss es der Ausgangspunkt
für weitere Fortschritte in den von der Konferenz festgelegten Richtungen
sein. Es ist der Menschheit eigen, in ihren Initiativen und Taten nach
Kontinuität zu streben. Das trifft auch auf das grosse Werk zu, an dem
jetzt 35 Staaten in Helsinki arbeiten. Das hat seinen Ausdruck darin
gefunden, dass für die Zeit nach der ersten Konferenz über Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa weitere Schritte zur Verwirklichung und
Weiterentwicklung ihrer Aufgaben vorgesehen sind. Vor diesem so
ausserordentlich massgeblichen Auditorium möchten wir mit allem Nachdruck
ein integrierendes Merkmal der Aussenpolitik der Sowjetunion, der
Leninschen Politik des Friedens und der Völkerfreundschaft, hervorheben:
ihren Humanismus. Von den Ideen des Humanismus sind die Beschlüsse des
XXIV. Parteitages unserer Partei, ist das Friedensprogramm durchdrungen,
in dem ein Punkt die Einberufung der gesamteuropäischen Konferenz vorsah.
Wir stellen mit tiefer Befriedigung fest, dass die von der Konferenz
ausgearbeiteten Leitsätze zu den Grundproblemen der Festigung des
Friedens in Europa den Interessen der Völker und Menschen dienen,
unabhängig von der Art ihrer Beschäftigung, von Nationalität und Alter,
den Interessen der Arbeiter und der Werktätigen in der Landwirtschaft
ebenso wie denen der Geistesschaffenden, überhaupt jedes einzelnen
Menschen und aller Menschen zusammen. Diese Leitsätze sind getragen von
Achtung vor dem Menschen, von dem Bemühen, dass er in Frieden leben und
zuversichtlich in die Zukunft blicken möge. Die Vereinbarungen, die wir
erzielt haben, schaffen für die Völker grössere Möglichkeiten, auf die
sogenannte grosse Politik verstärkt Einfluss zu nehmen. Zugleich
betreffen sie auch Probleme des täglichen Lebens. Sie werden dazu
beitragen, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, ihnen Arbeit
zu sichern und mehr Bildungsmöglichkeiten zu schaffen. Sie sind von der
Sorge um das Wohl der Menschen getragen, kurzum, sie befassen sich mit
vielem, was einzelne Menschen, was Familien, was die Jugend und
verschiedene gesellschaftliche Gruppen angeht. Wie viele andere, die von
dieser Tribüne aus gesprochen haben, werten wir die KSZE als gemeinsamen
Erfolg all ihrer Teilnehmer. Ihre Ergebnisse können auch ausserhalb
Europas von Nutzen sein. Die Ergebnisse der langwierigen Verhandlungen
sind so, dass es keine Sieger und Besiegte, keine Gewinner und Verlierer
gibt. Das ist ein Sieg der Vernunft. Alle haben gewonnen: die Länder in
Ost und West, die Völker der sozialistischen und der kapitalistischen
Staaten, der paktgebundenen wie der neutralen, der kleinen wie der grossen.
Es ist ein Gewinn für alle, denen Frieden und Sicherheit auf unserem
Planeten am Herzen liegen ..."
9. Giscard d'Estaing betont bei der Bewertung
der KSZE Bedeutung der Berlinfrage
Der französische Staatspräsident Valéry
GISCARD d'ESTAING führte am 31. Juli laut Mitteilung der französischen
Botschaft, Bonn, u. a. aus: "Sind wir aufrichtig? Welchen Wert hat
das erreichte Ergebnis, d. h. die Schlussakte, tatsächlich? Sie ist kein
Friedensvertrag, wie manchmal behauptet wurde. Sie ist vielmehr ein
Abkommen für den Frieden. Ihr Wert ergibt sich aus 3 Faktoren: ihrer
Vorbereitung, ihrem Inhalt und unserem Treffen. 1. Durch die Art ihrer
Organisation und ihres Ablaufs verdeutlicht unsere Konferenz den Willen
zur Entspannung, der uns innewohnt. Ihr prägnantestes Merkmal ist, dass
sie das Treffen von 35 Staaten ermöglichte. Von Anfang an wurde bei den
Vorbereitungsarbeiten alles darauf ausgerichtet, dass die Staaten in
vollkommener Gleichheit zusammentreffen und jeder von ihnen, ob gross oder
klein, ob er zu einem Bündnis gehört oder nicht, für sich sprechen
kann. Was zum erstenmal bei einer Veranstaltung von dieser Bedeutung
ermöglichte, dass auch neutrale oder nicht angepasste Länder daran
teilnahmen. Die Konferenz zeigte eine weitgehende Bereitschaft zum Dialog.
Die 35 teilnehmenden Staaten konnten alle Aspekte ihrer gegenseitigen
Beziehungen frei erörtern. Zum erstenmal wurden bei einer Verhandlung
dieser Art bisher nicht behandelte Themen angeschnitten, ob es sich um den
Austausch von Informationen, Personen oder Gedanken handelte. 2. Diese
Konferenz hat nicht nur die Bereitschaft zur Entspannung deutlich gemacht,
sondern auch gewisse Regeln der Texte, die wir verabschieden werden,
kodifiziert. Wahrscheinlich werden diese Texte allein den Frieden nicht
garantieren können. Das ist eine klare Feststellung, die nicht betont
werden muss. Sie haben zudem nicht die Bedeutung eines Vertrags, und
Frankreich -- ist der Ansicht, dass sie nicht die Anerkennung von
Situationen einschliessen, die es anderenfalls nicht anerkannt hätte.
Wahrscheinlich gehen sie in manchen Punkten nicht soweit, wie wir es
gewünscht hätten. Ich denke dabei besonders an manche Formulierungen
bezüglich des Informationsaustausches oder verschiedene Formen der
kulturellen Zusammenarbeit. Das ist nicht weiter überraschend. Denn die
Entspannung ist einmal ein langfristiges Unterfangen, und zum anderen
liegt ihr Wesen zum grossen Teil in den bilateralen Beziehungen
begründet, welche die Schlussfolgerungen der KSZE nicht vollständig
berücksichtigen werden können. Aber diese Beziehungen stellen in
gewisser Weise den bereits gefestigten Teil dar. Und diese Konsolidierung
macht den Wert der Texte, die wir verabschieden werden, aus. Indem wir
gemeinsame Regeln, die für alle gleich lauten, unterschreiben, in dem wir
unsere Absicht erklären, unsere Zusammenarbeit zu intensivieren und die
Zahl der Kontakte zu vervielfältigen, schaffen wir eine Norm für die
Massnahmen zur Entspannung. Wir verpflichten uns moralisch und politisch,
unsere Politik nach einem Kodex des guten Verhaltens auszurichten; wir
sind ausserdem einverstanden, uns dem Urteil der anderen Staaten nach
Kriterien, die nunmehr für uns alle gelten, zu unterziehen. 3. Dass die
wichtigsten Staatsmänner Europas hier versammelt sind, dass sie sich
treffen, dass sie sich freundschaftlich unterhalten und ihre Probleme
erörtern -- das ist ein wesentliches Novum. Man hat in diesem
Zusammenhang den Kongress von Wien zitiert. Damals war die Lage völlig
anders. Ich habe mir vor einiger Zeit den Kongress-Tisch von Wien
angesehen, den TALLEYRAND in einem französischen Landschloss aufbewahren
liess: ein kleiner Tisch, an dem kaum diejenigen Platz finden würden, die
bei unserer Versammlung einen führenden Platz einnehmen. Und es war ein
Kongress, bei dem getanzt wurde. Genauer gesagt, die Aussenminister
arbeiteten, die Staatschefs tanzten. In diesem Punkt, Herr Präsident,
könnten wir uns der damaligen Situation noch anpassen! Das Treffen,
aufgrund dessen wir uns hier versammelt haben, ist ein wichtiger Schritt
auf dem langen Weg zur Entspannung. Das kann jeder feststellen, aber hier
stellt sich die zweite Frage: Sind wir aufrichtig bereit, die
Entspannungspolitik fortzusetzen? Weil wir an diese Bereitschaft zur
Entspannung, was uns und die anderen angeht, glauben, nehmen wir an diesem
Treffen teil. Sonst hätten wir es nicht getan. Sicher ist die Entspannung
nicht vor Zwischenfällen sicher, und sie hat wunde Punkte. Berlin ist
einer davon, wegen seiner politischen Bedeutung für Europa und aufgrund
der Rechte und Pflichten, die sich daraus ergeben. Die Konferenz, die uns
hier vereint, hatte ohne das Vierer-Abkommen über Berlin wahrscheinlich
nicht stattgefunden. In dieser Hinsicht und unter Berücksichtigung der
vierseitigen Rechte und Verpflichtungen ist Frankreich wie Grossbritannien
der Ansicht, dass die Texte, die bei der KSZE verabschiedet werden, auch
für Berlin gelten. Die Frage nach der Aufrichtigkeit unserer Absichten
stellt sich einmal wegen der Fortsetzung bedeutender Rüstungsmassnahmen
und zum anderen wegen der lebhaften ideologischen Antagonismen zwischen
den politischen Systemen einiger unserer Länder. Deshalb werde ich
zunächst auf die Verteidigung und den ideologischen Zusammenhang der
Entspannung eingehen, bevor ich erkläre, wie Frankreich die Texte, die
wir verabschieden werden, anwenden will. Die Geschichte lehrt uns, dass
das Aufrechterhalten des Gleichgewichts eine notwendige Bedingung für den
Fortschritt der Entspannung ist, weil nur dadurch das unerlässliche Klima
der Sicherheit entsteht. Weil Frankreich diese Bemühungen fortsetzen
will, legt es so grossen Wert darauf, die Unabhängigkeit seiner
Verteidigung zu wahren und unter Berücksichtigung seiner Verpflichtungen
an der Tätigkeit des Bündnisses teilzunehmen, zu dem es gehört.
Frankreich steht den Übereinkünften zurückhaltend gegenüber, die
darauf abzielen, innerhalb Europas eine Zone zu schaffen, die vom Ausland
kontrolliert wird und in der die Kräfte bestimmten Einschränkungen
unterworfen sind. In einer Situation, die vom Ungleichgewicht im Bereich
der Rüstung, zwischen den sehr grossen Mächten und den anderen geprägt
ist, kann Frankreich regionalen Übereinkünften nicht zustimmen, die
neues Ungleichgewicht hervorrufen würden. Der ideologische Zusammenhang
der Entspannung ist in der Schlussakte klar definiert: Er besteht darin,
die Verschiedenartigkeit unserer Systeme zu akzeptieren und zu
respektieren. Wir müssen jedoch anerkennen, dass zwischen dem Willen zur
Entspannung und der Fortsetzung einer erbitterten ideologischen
Konfrontation ein gewisser Widerspruch besteht. Es ist sicherlich
natürlich, dass innerhalb unserer Staaten und über unsere Grenzen hinaus
die Wahl politischer und philosophischer Systeme zu einem ideologischen
Wettstreit führt. Aber die Bereitschaft zur Entspannung muss uns
veranlassen, der Härte dieses Wettstreits eine Grenze zu setzen: die
Grenze eines ideologischen Wettstreits ohne Einmischung und ohne
Intoleranz. Die Probleme, die noch gelöst werden müssen, müssen
ebenfalls in einem Geist der Gerechtigkeit und der Mässigung, der durch
die Grundsätze ausgedrückt wird, denen wir feierlich zustimmen werden.
10. Tito betont Bedeutung der Politik der
Blockfreiheit
Der Präsident der SFR Jugoslawien und
Vorsitzende des BdKJ Josip Broz-TITO führte laut Tanjug am 31. Juli u. a.
aus: "Wir leben in einer Zeit, in der ein immer entschlossenerer
Kampf der Völker für Freiheit und Unabhängigkeit, für Frieden und
gleichberechtigte Sicherheit für alle, für Gleichheit und umfassende
Zusammenarbeit, für wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt
geführt wird. Jede Nation ist entschlossen, die grössten Opfer für
Freiheit, Frieden, Unabhängigkeit und Gleichheit zu bringen. Die Politik
der Blockfreiheit stellt ebenfalls einen der Wege dar, auf dem heutige
Generationen neue und demokratische, aber auch realistische Antworten auf
ungelöste Probleme suchen. Die Überzeugung, dass internationale
Beziehungen auf Prinzipien aktiver friedlicher Koexistenz beruhen müssen,
hat sich während der Vorbereitungen zu dieser Konferenz durchgesetzt und
gezeigt, wie tief die Suche nach neuen Wegen für die Lösung
internationaler Probleme im Bewusstsein aller Völker verwurzelt ist ...
In dieser eng miteinander verflochtenen Welt sind Frieden und Sicherheit
nicht nur unteilbar, sondern sie sind zu einer dringenden historischen
Notwendigkeit für den weiteren Fortschritt der Menschheit geworden.
Solange es irgendwo Krisen und Konflikte gibt, kann sich niemand in
irgendeinem Teil unseres Planeten auf die Dauer sicher fühlen. Der hohe
Grad des Miteinanderverflochtenseins und der Interdependenz Europas und
anderer Teile der Welt spiegelt sich am besten im Bereich der
internationalen Wirtschaftsbeziehungen wider. Europa kann keine Lösungen
auf lebenswichtige Fragen seiner Sicherheit und Prosperität suchen, indem
es sich abkapselt, denn dies würde unweigerlich zu seinem politischen und
wirtschaftlichen Niedergang führen. Von diesen Gedanken geleitet, hat
sich Jugoslawien stets dafür ausgesprochen, dass europäische Staaten
ihre Beziehungen zu anderen Ländern auf den gleichen Prinzipien aufbauen
sollten, die sie auf die Entwicklung ihr gegenseitigen Beziehungen
angewandt haben möchten. Doppelte Verhaltensnormen in Beziehungen
zwischen Staaten laufen dein Geist und Zweck dieser Konferenz zuwider und
haben auf breiterer internationaler Ebene stets nachteilige Auswirkungen.
Diese Konferenz ist in wesentlichem Masse aus der Politik der Entspannung
und Verhandlungen hervorgegangen und stellt eines ihrer bedeutungsvollsten
Ergebnisse dar. Es gibt keinen Zweifel daran, dass das, was in Europa
erreicht wurde, zusammen mit den verbesserten Beziehungen zwischen den
Grossmächten auch günstigere Voraussetzungen für die Regelung anderer
internationaler Probleme auf der Grundlage von Verhandlungen und
Übereinkommen schafft ... Indem wir versprechen, dass wir die Fortsetzung
der Entspannung weiterhin entschlossen unterstützen, sollten wir jedoch
unsere Augen nicht vor der Tatsache verschliessen, dass zahlreiche
komplizierte und ernste internationale Probleme bisher noch nicht gelöst
wurden. Dies trifft vor allem auf die Territorien der blockfreien und
anderer Entwicklungsländer zu. Auf diese Länder wird Druck ausgeübt,
weil sie ihre unabhängige Politik verstärken. Und dies erzeugt
Misstrauen im Zusammenhang mit den Zielen und sogar hinsichtlich der
bisher erreichten Erfolge der Entspannung. In dieser Hinsicht ist vor
allem die Fortsetzung des Wettrüstens beunruhigend, das eine besondere
Form des Drucks darstellt, der auf die kleineren Länder, vor allem auf
die Entwicklungsländer, ausgeübt wird, weil diese gezwungen sind, einen
bedeutenden Teil ihrer ohnehin schon begrenzten Ressourcen für die
Verteidigung aufzuwenden. Die Schaffung neuer Beziehungen in Europa auf
der Grundlage der gegenseitigen Respektierung der Interessen aller Länder
und der beständigen Erweiterung der Gebiete für eine intensive
Zusammenarbeit soll dazu führen, dass die bestehende Block-Teilung
überwunden wird. Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass dies eine
wesentliche Voraussetzung für die Schaffung einer dauerhaften Sicherheit
und eines dauerhaften Friedens in Europa und in der Welt darstellt. Das
sozialistische, blockfreie Jugoslawien hat von Anfang an den
Entspannungsprozess, die Verhandlungen und die Zusammenarbeit in Europa
voll und ganz unterstützt und sich aktiv an allen Phasen dieser Konferenz
beteiligt. Dabei wurde Jugoslawien von den Prinzipien und Zielen der
Politik der Blockfreiheit geleitet, von denen es sich in den
internationalen Beziehungen auch weiterhin leiten lassen wird. Eines der
hervorragendsten Ergebnisse dieser Konferenz ist das allgemeine
Übereinkommen aller Teilnehmer-Staaten hinsichtlich der Respektierung der
Prinzipien der Unverletzbarkeit der Grenzen. Jetzt, wo diese Konferenz die
Unverletzbarkeit der Grenzen als eines der Grundprinzipien der
europäischen Sicherheit und Zusammenarbeit angenommen hat, möchte ich
hier feierlich erklären, dass mein Land dieses Prinzip für sich selbst
und all unsere Nachbarn als bindend betrachtet im Zusammenhang mit den
bestehenden Grenzen, die entweder durch Friedensverträge oder durch
andere gültige internationale Dokumente zwischen der Regierung
Jugoslawiens und den benachbarten Ländern oder gemeinsam von ihnen mit
den Regierungen anderer Länder geregelt wurden. Wie befriedigt wir auch
darüber sein mögen, dass diese Konferenz hier stattfindet und dass
Übereinstimmung erreicht wurde hinsichtlich der zu billigenden Dokumente,
so sind wir jedoch über die Tatsache beunruhigt, dass die Konferenz
keinen weiteren Erfolg hatte bei der Initiierung einer weiteren Resolution
über zahlreiche Probleme, die in der Tat sehr ernsthaft und äusserst
wichtig für die kollektive Sicherheit in Europa sind. Ich meine damit die
Situation im Zusammenhang mit der Aufrüstung und die Beziehungen zwischen
den beiden Blöcken, die Einmischung in die inneren Angelegenheiten
anderer Staaten sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse, die
Vernachlässigung der Interessen der weniger entwickelten Länder in
Europa und in der Welt und andere Probleme, darunter auch die Position der
nationalen Minderheiten.
11. Ford betont erneut die Notwendigkeit, aus
der Ära der Konfrontation in Europa herauszukommen
US-Präsident Gerald R. FORD führte am 1.
August laut AD u. a. aus: "Die hier versammelten Nationen haben 30
Jahre lang in Europa allgemein Frieden gehalten. Aber zu oft sind wir nur
mit knapper Not einem Konflikt entronnen. Und so bleibt bis zum heutigen
Tag die dringende Frage, wie wir einen gerechten und dauerhaften Frieden
für alle Völker aufbauen können. Ich bin nicht über den Atlantik
gekommen, um zu sagen, was wir alle schon wissen -- dass Nationen heute
über die Fähigkeit verfügen, die Zivilisation zu vernichten, und dass
daher das oberste Ziel all unserer Auflehnpolitik sein muss, einen
thermonuklearen Krieg zu verhindern. Ich bin auch nicht gekommen, um über
die harten Realitäten der anhaltenden ideologischen Differenzen,
politischen Rivalitäten und des militärischen Wettstreits zu sprechen,
die unter uns herrschen ... Ich bin hier, um meinen Kollegen einfach zu
sagen: Wir schulden es unseren Kindern, den Kindern aller Kontinente, dass
wir keine Gelegenheit verpassen, nicht eine Minute vertun, uns nichts
ersparen oder anderen erlauben, sich vor der monumentalen Aufgabe des
Aufbaus einer besseren und sicheren Welt zu drücken. Das amerikanische
Volk weiss ebenso wie die Völker Europas, dass blosse Bekundungen des
guten Willens, vorübergehende Änderungen der politischen Stimmung von
Regierungen und begrüssenswerte Grundsatzerklärungen nicht genug sind.
Wenn wir jedoch mit Sorgfalt und mit dem Willen zu realem Fortschritt an
die Aufgabe gehen, dann besteht heute die Chance, die Hoffnungen unserer
Völker zu verwirklichen. In den letzten Jahren haben hier versammelte
Länder versucht, potentielle Konflikte abzubauen. Es bleibt uns jedoch
noch sehr viel mehr zu tun, bevor wir uns gratulieren dürfen. Der
militärische Wettstreit muss unter Kontrolle gebracht werden. Der
politische Wettstreit muss eingedämmt werden. Krisen dürfen nicht um
einseitiger Vorteile willen, die uns erneut an den Rand des Krieges
bringen könnten, manipuliert oder ausgenutzt werden. Der Prozess der
Verhandlungen muss weitergeführt werden, nicht im Schneckentempo, sondern
mit deutlichem Enthusiasmus und sichtbarem Fortschritt. Nirgends sind die
Aufgaben und die Möglichkeiten grösser und deutlicher erkennbar als in
Europa. Darum hat uns diese Konferenz hier alle zusammengeführt. Ein
Konflikt in Europa erschüttert die Welt. Zweimal in diesem Jahrhundert
haben wir teuer für diese Lehre bezahlt, und wir sind mehrmals dem Unheil
gefährlich nahe gekommen. Wir dürfen die Tragödie und den Terror jener
Zeiten nicht vergessen. Frieden ist kein Stück Papier. Dauerhafter
Frieden ist heute zumindest möglich, weil wir aus den Erfahrungen der
letzten 30 Jahre gelernt haben, dass Frieden ein Prozess ist, der
gegenseitige Zurückhaltung und praktische Vereinbarungen erfordert. Diese
Konferenz hier ist Teil dieses Prozesses -- eine Aufgabe, kein Abschluss.
Wir stehen vor ungelösten Problemen der militärischen Sicherheit in
Europa, und wir stehen mit echt unterschiedlichen Werten und Zielsetzungen
vor ihnen. Wenn wir jedoch mit sorgfältiger Vorbereitung an diese
Probleme herangehen, wenn wir uns auf konkrete Fragen konzentrieren, und
wenn wir den Schwung nach vorne bewahren, dann haben wir das Recht, reale
Fortschritte zu erwarten. Die Ära der Konfrontation, die Europa seit Ende
des II. Weltkrieges gespalten hat, dürfte jetzt zu Ende gehen. Es
herrscht eine neue Vorstellung, eine gemeinsame Vorstellung, von einem
Wandel zum Besseren, weg von der Konfrontation und hin zu neuen
Möglichkeiten einer sicheren und beiderseits vorteilhaften
Zusammenarbeit. Das ist das, was wir alle hier sagen. Ich begrüsse und
teile diese Hoffnungen für die Zukunft. Die Nachkriegspolitik der USA ist
immer auf den Wiederaufbau Europas und die Neugeburt der historischen
Identität Europas ausgerichtet gewesen. Die Völker haben in ganz Europa
für Frieden und Fortschritt zusammengearbeitet. Von Anfang an haben wir
die Initiative ergriffen, indem wir klare Ziele und Gebiete der
Verhandlung abgesteckt haben. Wir haben eine Struktur der europäischen
Beziehungen angestrebt, in der Rivalität durch Zurückhaltung gedämpft
wird, Macht durch Mässigung, und die traditionellen Bande gefestigt
werden, die uns mit unseren alten Freunden verbinden, und neue Bande mit
früheren und potentiellen Gegner geschmiedet werden. In den letzten
Jahren sind einige wesentliche Erfolge erzielt worden. Wir haben hier das
Viermächte-Abkommen über Berlin von 1971 als Beendigung einer ewigen
Krise, die die Welt mindestens dreimal an den Rand des Abgrunds gebracht
hat. Die Abkommen zwischen der BRD und den Staaten Osteuropas und die
damit zusammenhängenden innerdeutschen Abkommen lassen Mitteleuropa und
die Welt freier atmen. Der Beginn der Ost-West-Verhandlungen über
beiderseitige und ausgewogene Verringerungen der Streitkräfte liess die
Entschlossenheit erkennen, die Probleme der militärischen Sicherheit des
Kontinents anzupacken. Der Vertrag zwischen den USA und der Sowjetunion
von 1972 über die Begrenzung der ABM-Systeme und das Interimsabkommen
über die Begrenzung strategischer Offensivwaffen (17120 A) stellten die
ersten Durchbrüche in einer Entwicklung dar, die sich als anhaltender,
langfristiger Prozess der Begrenzung der strategischen Nukleararsenale
vollziehen muss. Ich hoffe zutiefst, dass diese Konferenz weitere
praktische und konkrete Ergebnisse zeitigen helfen wird. Sie bietet eine
willkommene Gelegenheit, den Kreis jener Länder zu erweitern, die in
einem Abbau der Spannungen zwischen Ost und West engagiert sind. Die
Beteiligung an der Arbeit der Entspannung und die Teilhabe an den
Segnungen der Entspannung müssen jedermanns Angelegenheit sein -- in
Europa und anderswo. Aber Entspannung kann nur Erfolg haben, wenn jeder
begreift, was Entspannung tatsächlich ist. 1. Entspannung ist ein
evolutionärer Prozess, kein statischer Zustand. Viele Herausforderungen
bleiben noch bestehen. 2. der Erfolg des Entspannungsprozesses hängt von
neuen Verhaltensweisen ab, die all unseren feierlichen Deklarationen Leben
verleihen. Die Ziele, die wir heute proklamieren, werden der Massstab
sein, an dem unser künftiges Handeln gemessen wird. Die Völker ganz
Europas, und ich darf Ihnen versichern, auch die Völker Nordamerikas,
sind es gründlich leid, dass ihre Hoffnungen durch leere Worte und
unerfüllte Versprechungen immer wieder erst gehoben und dann zunichte
gemacht werden. Wir sollten lieber sagen, was wir denken, und auch
wirklich denken, was wir sagen, sonst wird die Antwort der Zorn unserer
Bürger sein. Wenn wir auch keine Wunder erwarten dürfen, so können und
dürfen wir doch einen stetigen Fortschritt erwarten, der schrittweise
kommt -- in Schritten, die miteinander zusammenhängen und die auf den
verschiedenen Gebieten unserer Beziehungen unsere Taten mit unseren Worten
verbinden. Und schliesslich müssen wir die Tatsache der beiderseitigen
Verpflichtung anerkennen. Ich habe schon oft gesagt, Entspannung muss eine
zweigleisige Angelegenheit sein. Spannungen können nicht von einer Seite
aus allein abgebaut werden. Beide Seiten müssen die Entspannung wollen
und an ihrer Erreichung arbeiten ... Als die USA vor zwei Jahrhunderten
eine Erklärung hoher Prinzipien abgaben, haben die Zyniker und die
Zweifler jener Tage gehöhnt und gespottet. Jedoch elf lange Jahre später
war unsere Unabhängigkeit gewonnen und die Stabilität unserer Republik
durch die Einverleibung dieser selben Grundsätze in unsere Verfassung
wirklich erreicht. Jene Prinzipien, die immer noch weiter vervollkommnet
werden, bleiben die Richtschnur der amerikanischen Politik, und das
amerikanische Volk ist heute wie damals der angemessenen Achtung vor den
Meinungen der Menschheit und dem Recht auf Leben, Freiheit und Glück für
alle Menschen überall verschrieben. Für meine Kollegen auf dieser
Konferenz symbolisiert meine Anwesenheit das vitale Interesse meines
Landes an der Zukunft Europas. Unsere Zukunft ist mit der Ihrigen
verknüpft. Unser wirtschaftliches Wohlergehen wie auch unsere Sicherheit
sind in zunehmendem Masse mit dem Ihrigen und der Ihrigen verbunden. Die
geographische Entfernung wird durch unser gemeinsames Erbe und unser
gemeinsames Schicksal überbrückt. Die USA haben daher die Absicht, sich
voll an den Angelegenheiten Europas zu beteiligen und an der Verwandlung
der Ergebnisse dieser Konferenz in lebendige Wirklichkeit. An die
Verbündeten Amerikas: Wir im Westen müssen den Kurs weiterverfolgen, den
wir gemeinsam eingeschlagen haben, gefestigt durch die gemeinsame Stärke
und durch gegenseitiges Vertrauen. Stabilität in Europa erfordert
Gleichgewicht in Europa. Ich versichere Ihnen daher, dass mein Land
weiterhin ein interessierter und zuverlässiger Partner sein wird. Unsere
Partnerschaft ist weit mehr als eine Angelegenheit formeller Abkommen. Sie
ist Ausdruck der Überzeugungen, Traditionen und Bindungen, die von tiefer
Bedeutung für das amerikanische Volk sind. Wir sind stolz, dass diese
Werte in diesem Dokument ihren Ausdruck gefunden haben. An die Länder des
Ostens: Die USA sind der Auffassung, dass die Prinzipien, auf die sich
diese Konferenz geeinigt hat, Teil des grossen Erbes der europäischen
Kultur sind, die wir für die ganze Menschheit verwalten. Für mein Land
sind sie keine Klischees oder leere Phrasen. Wir nehmen diese Arbeit und
diese Worte ernst. Wir werden keine Anstrengungen scheuen, um Spannungen
abzubauen und Probleme zwischen uns zu lösen. Aber es ist wichtig, dass
Sie sich der tiefen Hingabe des amerikanischen Volkes und seiner Regierung
an die Menschenrechte und die Grundfreiheiten und damit die Zusicherungen
bewusst sind, die diese Konferenz hinsichtlich der freieren Bewegung von
Menschen, Ideen und Informationen gemacht hat. Beim Aufbau eines
politischen Verhältnisses zwischen Ost und West stehen wir vor vielen
Herausforderungen. Berlin hat eine besondere Bedeutung. Es ist in der
Vergangenheit ein Flammpunkt der Konfrontation gewesen. Es kann in der
Zukunft ein Beispiel friedlicher Regelung werden. Die USA betrachten
Berlin als einen Prüfstein der Entspannung und der Prinzipien dieser
Konferenz. Wir begrüssen die Tatsache, dass die Ergebnisse der KSZE,
vorbehaltlich der Rechte und Pflichten der Vier Mächte, für Berlin
ebenso gelten wie für ganz Europa. Die militärische Stabilität in
Europa hat den Frieden erhalten. Unter Beibehaltung dieser Stabilität ist
es jetzt an der Zeit, den hohen Stand der Streitkräfte auf beiden Seiten
wesentlich zu reduzieren. Die gegenwärtig in Wien geführten
Verhandlungen über beiderseitige und ausgewogene Verringerungen der
Streitkräfte haben bisher nicht die Ergebnisse gezeitigt auf die ich
gehofft hatte. Die USA sind bereit, die Flexibilität an den Tag zu legen,
um die Verhandlungen voranzutreiben, wenn andere das gleiche tun werden.
Ein Abkommen, das die beiderseitige Sicherheit stärkt, ist möglich --
und entscheidend wichtig. Die USA haben auch die Absicht, das
Zustandekommen eines weiteren Abkommens über die Begrenzung der
strategischen Rüstungen mit der Sowjetunion nachdrücklich
voranzutreiben. Dies bleibt Priorität der amerikanischen Politik.
Generalsekretär BRESHNEW und ich sind im November vorigen Jahres in
Wladiwostock über die wesentlichen Züge eines neuen Abkommens über die
Begrenzung von strategischen Offensivwaffen für die nächsten zehn Jahre
übereingekommen. Wir kommen in unseren bilateralen Gesprächen hier in
Helsinki weiter. Die Welt steht mit der Ausbreitung der nuklearen
Waffentechnologie vor einer beispielslosen Gefahr, die Länder Europas
tragen gemeinsam eine grosse Verantwortung für eine internationale
Lösung dieses Problems. Die Segnungen der friedlichen Nuklearenergie
werden immer bedeutsamer. Wir müssen Mittel und Wege finden, um diese
Segnungen immer mehr Menschen zugänglich zu machen, während wir
gleichzeitig die Welt vor der Drohung der Ausbreitung der Waffen bewahren.
An die anderen auf dieser Konferenz vertretenen Nationen Europas: Wir
schätzen die Arbeit, die Sie hier geleistet haben, um ganz Europa
zusammenzubringen. Ihr Recht, in Frieden und Unabhängigkeit zu leben, ist
eines der Hauptziele unserer Anstrengungen. Ihr weiterer Beitrag wird
unverzichtbar sein. An jene Nationen, die nicht teilnehmen, und an alle
Völker der Welt: Die in diesen Dokumenten niedergelegte feierliche
Verpflichtung, die Grundrechte und wirtschaftlichen und sozialen
Fortschritt und Wohlergehen zu fördern, gilt letztlich für alle Völker.
Können wir wirklich von Frieden und Sicherheit sprechen, ohne uns der
Ausbreitung von Nuklearwaffen in der Welt oder der Entwicklung immer
ausgeklügelterer Formen der Kriegsführung zuzuwenden? Kann der Frieden
teilbar sein zwischen Gebieten der Ruhe und Regionen des Konflikts? Kann
Europa wirklich gedeihen, wenn wir uns nicht alle dem Übel des Hungers in
Ländern zuwenden, die weniger glücklich sind als wir? -- Wenn wir uns
nicht den neuen Dimensionen der Wirtschafts- und Energiefragen zuwenden,
auf denen unser Fortschritt beruht? -- Wenn wir uns nicht dem Dialog
zwischen Erzeugern und Verbrauchern, zwischen Exporteuren und Importeuren,
zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern zuwenden? -- Und kann
es Stabilität und Fortschritt geben, wenn Gerechtigkeit und
Grundfreiheiten fehlen? Unsere Völker wollen eine bessere Zukunft. Ihre
Erwartungen haben sich durch die sehr realen Schritte gesteigert, die
bereits getan worden sind -- in der Rüstungskontrolle, in politischen
Verhandlungen und in der Ausweitung von Kontakten und wirtschaftlichen
Beziehungen. Unsere Anwesenheit hier bietet ihnen neue Hoffnung. Wir
dürfen sie nicht enttäuschen. Wenn die Sowjetunion und die USA ein
Abkommen erreichen können, durch das unsere Astronauten höchst
kompliziertes wissenschaftliches Gerät zusammenfügen, zusammenarbeiten
und sich 137 Meilen im Weltraum die Hand schütteln können, dann haben
wir als Staatsmänner die Verpflichtung, auch hier auf der Erde das
Unsrige zu tun."